Débats politiques allemands

German Elections: Poll tracker: Who is ahead in the polls? (The Economist)


The Economist, 17 janvier, article payant      

Rightwards and upwards : How the AfD got its swagger back

Germany’s hard-right party is gaining support even as it radicalizes

Extraits :

IT IS A bitingly cold evening in Bautzen, a handsome town nestled in the hills of the Oberlausitz, deep in the east German state of Saxony. But spirits are high at the election stand of the hard-right Alternative for Germany (afd). “Our land first, because we love Germany!” proclaim banners in the party’s trademark bright blue. “The mood inside the party is really good,” beams Frank Peschel, who sits in Saxony’s parliament. The afd took 39% of the vote here at last year’s European election, and your correspondent struggles to find any local not planning to vote for it at the national election on February 23rd. “The left calls us Nazis, but we just want a normal life,” says Simon, a 20-year-old. He will deliver his first vote to the party next month.

There is a swagger to the afd these days. Having fallen back in early 2024, the party has engineered a well-timed recovery. Its current polling, at around 20% and climbing, could double its representation in the Bundestag. Party spirits have been lifted by events in Austria, where an afd-like party is set for power after a centrist attempt to block it fell apart. Elon Musk, a plutocrat close to Donald Trump, recently conducted a rambling interview with Alice Weidel, the afd’s co-chair. Party insiders cringed, but say his endorsement will spark the interest of younger voters and German business, many parts of which remain deeply afd-sceptical. Once-bitter divisions inside the party have been muted in the service of election discipline—largely in favour of its more radical wing.

This points to a puzzle. Comparable hard-right outfits in Europe, like the National Rally in France or Giorgia Meloni’s Brothers of Italy, have moderated to broaden their appeal. But the afd has grown even as it radicalises. (…) The party says it simply wants adherence to the law. But the dog-whistle is audible. “Yes, our rhetoric has sharpened,” says Mr Chrupalla. “But we just reflect political reality. People are fed up.”

The afd’s electorate has grown more heterogeneous as its support has risen. In parts of the east it commands well over a third of the vote, yet it has far more voters in the (larger) west. The archetypal afd voter is a middle-aged blue-collar worker in a small town, but the party is making inroads among youngsters. Its voters are not notably poor members of the “left behind”. But they tend to see themselves as badly off. The afd’s big weakness is with female voters, and candidates: just one in nine in next month’s election is a woman.

(…) the afd does remain locked out of power. Elsewhere in Europe, centre-right parties’ firewalls against the hard right have tumbled. But Friedrich Merz, head of the cdu and Germany’s probable next chancellor, says to work with the afd would be to “sell the cdu’s soul”. In eastern states the cdu has formed ideologically outlandish coalitions to keep it out. Many Germans turned off by the party’s fascist aura vote tactically for its opponents. The anti-afd firewall may even have advanced the party’s radicalisation by removing an incentive to moderate.

Few afd insiders think its polling can get much higher this time around. Yet no one in the party thinks it can be blocked from power for ever. “If you make firewalls, you’ll get burned behind them,” says Mr Chrupalla about the cdu. And although Mr Merz has tacked right, he will probably have to govern with a leftist party in coalition. That, says Krzysztof Walczak, from the afd’s Hamburg branch, means he will be unable to deliver his promised (and afd-adjacent) policies, such as rejecting asylum-seekers at Germany’s borders. The party is campaigning hard on this message. (…)

Mr Merz knows the risks of even hinting at an opening to the afd. But his aides fear that if they fail to get on top of Germany’s problems, notably illegal immigration and economic stagnation, the afd could win the next election in 2029. That would not necessarily open the door to power. But it would be a grim milestone.■

https://www.economist.com/europe/2025/01/16/how-the-afd-got-its-swagger-back


Neue Zürcher Zeitung, 17 janvier, article payant     

Musk behandelt die Deutschen so, wie sie mit dem Rest der Welt umgehen

Der Milliardär gibt ungebetene Ratschläge und beleidigt ausländische Politiker. Das ist sonst ein deutsches Privileg.

Extraits :

Der Bundespräsident ist ein «undemokratischer Tyrann», der Kanzler ein «Narr», und die AfD ist der «letzte Funke Hoffnung für Deutschland». Seit Elon Musk seine Weisheiten zum Besten gibt, ist der Teufel los.

Soll man Musks Plattform X stärker regulieren oder gleich die Meinungsfreiheit einschränken? Politiker der SPD und der Grünen überbieten sich mit Drohungen.

Beim Betrachten des Flohzirkus lässt sich klammheimliche Freude nicht verhehlen. Ein amerikanischer Milliardär macht mit den Deutschen, was die Deutschen sonst mit dem Rest der Welt machen.

Er gibt unerbetene Ratschläge, sitzt auf dem hohen Ross und weiss alles besser. Man muss es wohl ausgleichende Gerechtigkeit nennen.

Als in Italien vor einiger Zeit eine selbsternannte deutsche «Seenotretterin» verhaftet wurde, liess Frank-Walter Steinmeier die italienische Regierung strammstehen: «Wir dürfen von einem Land wie Italien erwarten, dass es mit einem solchen Fall anders umgeht.» Es klang nach preussischem Kasernenhofton.

Danach griff Steinmeier zum Vorschlaghammer und sagte: «Wer Menschenleben rettet, kann kein Verbrecher sein.» Der Bundespräsident erklärt einem souveränen Staat, wie dessen Rechtsordnung zu funktionieren habe.

Die Wortmeldung war nichts anderes als die Einmischung in die inneren Angelegenheiten einer befreundeten Demokratie – also genau das, was seit Musks Intervention den linken Teil der deutschen Öffentlichkeit in Schnappatmung versetzt.

Bei Steinmeier handelte es sich jedoch nicht um einen Privatmann, der Musk immer noch ist, sondern um ein Staatsoberhaupt. Er sprach mit dem ganzen Gewicht der europäischen Führungsmacht. Als er Trump einen «Hassprediger» nannte, war er Aussenminister. Auch damals sprach er für Deutschland: ein Land, das es offenbar liebt, andere Staaten zu schulmeistern und deren Politiker herabzusetzen.

Sich gegenüber dem Ausland als Gutmenschen zu gerieren, ist eine Marotte deutscher Politiker. In Afghanistan baute die Bundeswehr anfangs lieber Brunnen, als zu kämpfen. Deutschland erklärte seinen Pseudopazifismus für überlegen gegenüber den Kampfeinsätzen der Amerikaner – von denen sich die Bundeswehr aber gerne beschützen liess.

Als Berlin ohne breite Konsultation einer Million Menschen die unkontrollierte Einreise gestattete, erklärte Angela Merkel die «Willkommenskultur» zu der für alle Europäer gültigen Moral und verlangte von den Partnern, Deutschland gefälligst Flüchtlinge abzunehmen. (…)

Die Moral von der Geschicht: Wer auf ein Podest klettert und seine Überlegenheit ostentativ zur Schau stellt, landet hart auf dem Boden der Tatsachen. Das wird auch Musk erfahren, sollte er eines Tages nicht nur grosse Sprüche, sondern Politik machen. (…)

Bis jetzt redet er nur dahin, beleidigt ausländische Partner und erreicht nichts. Wenn Musk so weitermacht, steht ihm noch eine grosse Karriere als Aussenpolitiker in Deutschland bevor.

Der Milliardär kann sich Baerbock zum Vorbild nehmen, die im Namen einer «wertegeleiteten Aussenpolitik» Israeli, Chinesen und jedem, der nicht bei drei auf dem Baum ist, Ratschläge erteilt. Gebracht hat es wenig, weder im Nahen Osten noch in Asien.

Wer klug ist, macht das Gegenteil von Musk, Baerbock und Steinmeier. Er wägt seine Worte, hält sich mit Belehrungen zurück und dosiert seine Kritik, weil er weiss, dass sie dann am wirksamsten ist. Realpolitik nennt sich das; ein Synonym lautet Diplomatie.

Diese scheint aber aus der Mode gekommen zu sein. In Trumps Amerika sowieso, aber auch in Deutschland. (…)

https://www.nzz.ch/der-andere-blick/musk-behandelt-die-deutschen-so-wie-sie-mit-dem-rest-der-welt-umgehen-ld.1866546


Neue Zürcher Zeitung, 17 janvier, article payant     

«Hitler war Sozialist», sagt Alice Weidel. Das ist falsch. Aber nicht ganz

Hitler sei links gewesen, der Nationalsozialismus kommunistisch: Das sagte die AfD-Kanzlerkandidatin im Talk mit Elon Musk. Alice Weidel ist nicht die Erste, die die These vertritt, Nationalsozialismus und Sozialismus hätten mehr gemeinsam als den Namen.

Extraits :

Kann man rechts und links verwechseln? Vergangene Woche sagte Alice Weidel, Hitler sei Kommunist gewesen. Im Talk mit Elon Musk sprach die AfD-Kanzlerkandidatin auch über den Nationalsozialismus. Und erklärte, dieser sei «alles andere als rechts». Der grösste Erfolg «nach dieser schrecklichen Ära» sei es gewesen, Hitler als rechts und konservativ zu bezeichnen. Aber Hitler sei das Gegenteil gewesen: «Er war nicht konservativ. Er war ein sozialistisch-kommunistischer Typ.»

In den sozialen Netzwerken erntete Weidel Kritik, aber auch viel Beifall. Auf Nachfrage hielt sie an der Behauptung fest. Sie sei Ökonomin, sagte sie in einem Interview auf RTL, und sehe das «aus der Brille der ökonomischen Dogmengeschichte». Für Ökonomen sei völlig klar, dass Hitler «ein Linker» gewesen sei. Ein «antisemitischer Sozialist».

Man müsse sich nur die Methoden ansehen, mit denen Hitler gearbeitet habe, so Weidel. Es seien die gleichen, wie die Linke sie heute anwende (…)

Die Medien von ARD und ZDF bis «Spiegel» und «Welt» brachten Historiker in Stellung und überboten sich gegenseitig in Faktenchecks. Ihr Fazit war klar. Die Behauptungen seien «grundfalsch», sagte Andreas Wirsching vom Münchner Institut für Zeitgeschichte am Deutschlandfunk. Und in Hinblick auf die Opfer des NS-Regimes seien sie «zynisch, politisch irreführend und infam». «Alles Quatsch», sagte Michael Wolffsohn in der «Bild»-Zeitung. Weidel wolle die AfD von dem Verdacht reinwaschen, nationalsozialistisch zu sein.

Das ist zweifellos richtig. Und so wie Weidel ihre Aussage begründet hat, ist sie erst recht nicht haltbar. Gerade im ökonomischen Sinn war Hitler kein Sozialist. Privateigentum stellte er nicht infrage. Mit Verstaatlichungen hielt er sich zurück. Wo er sie anordnete, tat er es nicht aus ideologischen Gründen, sondern um Deutschland möglichst rasch kriegstauglich zu machen. Mit den grossen Industriellen arrangierte er sich und liess sich zum Teil von ihnen finanzieren.

Vor allem: Die ersten Opfer der Nazi-Gewalt waren Linke. (…) Er wolle den Marxismus «mit Stumpf und Stiel» ausrotten, betonte er.

Ideologisch hat der Nationalsozialismus kaum Gemeinsamkeiten mit dem Kommunismus. Klasse war keine Kategorie in Hitlers gesellschaftlichem Denken. Er orientierte sich an der Vorstellung einer «Volksgemeinschaft», die Klassenunterschiede nicht zum Verschwinden bringen, sondern übersteigen sollte. In einer Gemeinschaft aller, die durch die «Rasse» miteinander verbunden sind.

Im Gespräch mit Musk wies Weidel darauf hin, dass die Nationalsozialisten ihre sozialistische Herkunft ja schon im Namen trügen. Tatsächlich findet sich in Hitlers nie veröffentlichtem zweitem Buch, das im Mai 1945 in einem Luftschutzbunker in München entdeckt wurde, der Satz: «Ich bin Sozialist.» Das schrieb Hitler 1928. Wie er es gemeint hat, ist allerdings unklar. (…) Denn mit allem, was sozialistisch ist, wollte er nichts zu tun haben. (…)

Damit hatte sich der Nationalsozialismus vom Sozialismus getrennt. Doch Alice Weidel ist nicht die Erste, die die These vertritt, die beiden hätten mehr gemeinsam als den Namen. 2003 fragte der Historiker und Publizist Joachim Fest, Verfasser einer brillanten Hitler-Biografie, in einem Zeitungsartikel: «War Adolf Hitler ein Linker?» Und bejahte die Frage. Wenigstens zum Teil. Es gebe gute Gründe, schrieb er, dass er «eher auf die linke Seite» gehöre. Mit dem Totalitarismus Stalins habe er jedenfalls mehr gemein als mit dem Faschismus Mussolinis.

Dass Hitler keine Produktionsmittel verstaatlicht habe, spreche nicht dagegen, sein Programm sozialistisch zu nennen, fand Fest. Tatsächlich habe Hitler einen weit klügeren Einfall gehabt und, wie er selbst sagte, «nicht die Betriebe, sondern die Menschen» sozialisiert. Ein Kapitalist sei er jedenfalls nicht gewesen. Viele der jungen Männer, die im Frühling 1933 in die SA eintraten, waren ehemalige Kommunisten. Den Wechsel zu den Nazis, sagt Fest, hätten sie nicht als Bruch empfunden.

«Im Herzen», so Fest, «blieb man Sozialist, nur dass man von nun an auch noch national sein durfte.» In der Politik hätten die unversöhnlichsten Rivalen oft etwas von feindlichen Zwillingen. Den Traum vom «neuen Menschen» hätten Kommunisten wie Nazis geträumt. Beide hätten nichts so sehr verachtet wie das Bürgertum. Ein klarer Unterschied, so Fest, liege darin, dass sich der Nationalsozialismus schon im Programm unmenschlich ausgenommen habe, während der Sozialismus in «humanitären Maskeraden» aufgetreten sei. (…)

Für Fest war dies eine Warnung, keiner Ideologie zu vertrauen. Weil sie nie hielten, was sie versprächen. Und weil sich hinter ihrer Fassade immer das «nackte Grauen» verberge. Auch der Historiker und Schriftsteller Sebastian Haffner, der Deutschland 1938 verlassen musste und dessen Analysen des braunen Terrors noch heute lesenswert sind, warnte davor, es sich mit Hitler zu einfach zu machen.

In seinem Buch «Anmerkungen zu Hitler» schrieb Haffner: «Hitler ist keineswegs so leicht als extrem rechts im politischen Spektrum einzuordnen, wie es viele Leute heute zu tun gewohnt sind.» Eine Antwort darauf, wo man ihn denn sonst einordnen soll, bleibt Haffner schuldig. Hitler als links zu bezeichnen, ist zweifellos falsch. Aber zu einfach sollte man es sich tatsächlich nicht machen.

Der Nationalsozialismus bewegte sich jenseits herkömmlicher politischer Kategorien. Im Mittelpunkt standen ein glühender Antisemitismus und die Idee eines «grossgermanischen Weltreichs». Dem mussten sich alle anderen Elemente der Nazi-Ideologie unterordnen. Hitler machte Zugeständnisse. Den Eliten bot er das Bewusstsein der Auserwähltheit, um ihnen das «Völkische» schmackhaft zu machen. Den Arbeitern ein bisschen Sozialismus, um sie für den Nationalismus zu gewinnen. Das stimmt. Aber es macht Hitler noch nicht zum Kommunisten.

https://www.nzz.ch/feuilleton/hitler-war-kein-kommunist-warum-alice-weidel-falsch-liegt-aber-nicht-ganz-ld.1866200


Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16 janvier, article payant        

Blick ins Wahlprogramm: Die teuren Pläne der AfD

Elon Musk und Alice Weidel spielen Harmonie. Dabei kann das AfD-Programm einem libertären Unternehmer eigentlich nicht gefallen.

Extraits :

 (…) Tatsächlich nehmen im Programmentwurf der AfD anti-etatistische Positionen einen breiten Raum ein. Die Partei will Bürokratie abbauen und Vorschriften abschaffen, das alles radikaler als etwa die FDP oder die Unionsparteien. Und vor allem will sie die Steuern senken: Der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer soll steigen und die Erbschaftsteuer entfallen, steigende Sozialbeiträge will sie über die Steuer wieder ausgleichen und die Belastung in der Gastronomie senken.

Nach Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) würden sich die staatlichen Einnahme-Ausfälle auf 149 Milliarden Euro im Jahr belaufen, das ist sogar etwas mehr als nach den Plänen der FDP – und viel mehr als jene 89 Milliarden Euro aus dem Unionsprogramm, die nach jüngsten Verlautbarungen zur besseren Verträglichkeit über vier Jahre gestreckt werden sollen. Die Schuldenbremse einhalten will die AfD aber trotzdem, wie das gehen soll, bleibt unklar: Selbst ein Wegfall aller Kosten für das Bürgergeld oder die Integration von Migranten könnte diese Summe nicht kompensieren.

Das ist aber noch nicht alles. Denn in der Sozialpolitik plant die Partei gewaltige zusätzliche Ausgaben. Das Thema war vor ein paar Jahren in der Partei noch heiß umstritten, vor allem zwischen west- und ostdeutschen Parteivertretern. Aufgrund dieser Uneinigkeit drückte sich die Partei lange um ein eigenes Rentenkonzept. Auf einem Bundesparteitag im nordrhein-westfälischen Kalkar wurde die Sache vor gut vier Jahren aber entschieden.

Und das Rentenkonzept, das die Partei in ihrem aktuellen Programmentwurf so detailliert ausbuchstabiert wie noch nie, hat es in sich. Hier hat die AfD tatsächlich ein wenig realistisches Alleinstellungsmerkmal, das so gar nicht den staatsfernen Ideen eines Elon Musk entspricht. Unter den Parteien des liberaldemokratischen Spektrums wagen es nicht einmal die Sozialdemokraten, ein höheres Rentenniveau zu versprechen, sie will das bestehende lediglich halten.

Die AfD aber hat große Pläne. „Unser ferneres Ziel ist es, in mehreren Schritten das durchschnittliche Rentenniveau der westeuropäischen Länder zu erreichen, das derzeit bei gut 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens und damit deutlich höher liegt als das deutsche“, heißt es im Programmentwurf. „Das deutsche Rentenniveau ist mit nur 53% des letzten Nettogehalts nach Eurostat eines der niedrigsten in Westeuropa.“

Das große Vorbild dabei ist Österreich – ausgerechnet das Land, in dem die Koalitionsgespräche zwischen ÖVP, SPÖ und liberalen Neos am Streit über die prekären Rentenfinanzen scheiterten, die Defizite im Staatshaushalt mit verursachen. Die AfD rechnet vor, dass das höhere Rentenniveau im Nachbarland zu 30 Prozent aus höheren Beiträgen, zu weiteren 30 Prozent durch eine Beitragspflicht für alle Erwerbstätigen und zu 15 Prozent aus höheren Staatszuschüssen finanziert werden. Lediglich 25 Prozent seien auf eine jüngere Altersstruktur der Bevölkerung zurückzuführen, die sich kurzfristig nicht beeinflussen lasse.

Was das konkret bedeutet, kann IW-Forscher Jochen Pimpertz abschätzen. Der Anteil der Rentenausgaben am Bruttoinlandsprodukt liege in Österreich fast drei Prozentpunkte höher als in Deutschland, und die Beiträge liegen sogar um 4,2 Punkte über dem deutschen Niveau: 22,8 Prozent des Bruttoeinkommens sind an die Rentenkasse zu entrichten. Die AfD will das über Steuersenkungen wieder ausgleichen, was aber weitere Verluste für den Staatshaushalt bedeutet.

Wie hoch sie genau ausfallen, das lässt sich aufgrund der vagen Angaben im AfD-Konzept nicht auf den Euro genau ausrechnen. (…)

Überschlagen lassen sich die Kosten aber durchaus, und sie sind gewaltig. „Die versprochene Leistungsausweitung würde nach überschlägiger Rechnung zu erheblichen Zusatzausgaben führen, möglicherweise im dreistelligen Milliardenbereich“, sagt Pimpertz. Das käme dann zu den Steuerentlastungen in Höhe von 149 Milliarden Euro noch hinzu. Insgesamt würde also im Bundeshaushalt mehr als die Hälfte des Volumens von zuletzt 477 Milliarden Euro fehlen. (…)

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/alice-weidel-und-elon-musk-gemeinsam-ist-ihnen-nur-die-negativitaet-110223825.html


The Wall Street Journal, 14 janvier, article payant      

Germany Puzzles at Elon Musk’s Embrace of Its AfD Populists

The billionaire tech entrepreneur has cast the far-right party as moderate, but many in Berlin beg to differ

Extraits :

BERLIN—During Elon Musk’s freewheeling conversation with the leader of a far-right German party last week, spanning Hitler, multiplanetary civilizations and the existence of god, the billionaire tech entrepreneur insisted that the Alternative for Germany was moderate.

“Hopefully, people can tell just from this conversation, like nothing outrageous is being proposed, just common sense,” he said, during their live discussion on his X social-media platform.

That has been hard for many in Germany’s mainstream political parties to understand—much less accept.

After all, the party, also known by its German acronym AfD, is critical of Germany’s culture of Holocaust remembrance and several of its regional chapters are classified as right-wing extremist organizations by Germany’s domestic intelligence agency. An AfD leader in Thuringia was fined for repeatedly using a banned Nazi slogan—something he denied doing knowingly.

Even more perplexing for many in Berlin, some of the AfD’s goals clash with Musk’s own positions and with core U.S. interests.

The AfD is closer to Russia than some of its European peers. It has called for lifting sanctions on Moscow for its invasion of Ukraine and wants to resume Russian natural-gas deliveries via the closed Nord Stream 2 pipeline. It opposes the stationing of U.S. long-range conventional missiles on German soil, as recently agreed between Berlin and Washington. 

The party has also criticized electric-car subsidies that have benefited Musk’s Tesla in the past. And it has called for Germany to leave the European Union—a decision that would make it harder for Tesla to export the cars it makes in its plant near Berlin.

“If Musk’s rocket science and knowledge of electromobility were as superficial as his analysis of German politics, then his cars wouldn’t drive, and his rockets wouldn’t fly,” Jens Spahn, a center-right lawmaker and former government minister, told Germany’s Cicero magazine last week. “Is it really clever to support such a pro-Russia, pro-Putin, at its core anti-American party like the AfD?”

On many ways, Musk’s support for the AfD isn’t surprising. The party’s anti-immigration rhetoric, its rejection of wokeism and its populist style match Musk’s preferences as expressed in countless online posts. But the AfD is seen as more radical than many of the other European parties Musk has backed, such as Reform U.K. and Giorgia Meloni’s Brothers of Italy. (…)

In an interview with the American Conservative, a U.S. magazine, ahead of her conversation with Musk, Alice Weidel defended her party’s call for resuming Russian gas purchases regardless of the U.S.’s opposition to it, saying: “We will make our own decisions and [Donald Trump] must accept them, whether he likes them or not.”

Unlike other right-wing parties in Europe, the AfD hasn’t softened its positions over the years to court broader appeal. Delegates at its national convention on Sunday toughened its immigration agenda, calling for the detention of asylum seekers and banning nonresidents from receiving welfare benefits unless they have worked in Germany for at least 10 years. (…)

“Musk doesn’t have a positive image,” said Manfred Güllner, head of Forsa. “And Trump himself is incredibly disliked among Germans.”

However, other polls published this month show the AfD’s ratings crossing the 20% threshold, continuing a slow but steady rise that started last summer.

Even if it caught up with the CDU and won February’s election, the AfD would be exceedingly unlikely to lead the next government because all other parties have ruled out joining it in a coalition. Yet, an AfD victory would still be a political earthquake, and one the party’s leaders think has now become a little likelier.

“People who are still sitting on the fence and are unsure if they can trust us,” said Leif-Erik Holm, an AfD lawmaker. “They may look at someone like Musk, and if he supports us, then maybe they can too.”

https://www.wsj.com/world/europe/germany-puzzles-at-elon-musks-embrace-of-its-afd-populists-0c17c877?mod=hp_lead_pos10


Le Figaro, 14 janvier, article payant

Législatives allemandes : la fuite en avant radicale d’Alice Weidel

DÉCRYPTAGE – La chef de file de l’AfD, qui a fait alliance avec l’intellectuel proche des milieux néonazis, Björn Höcke, prône désormais ouvertement la « remigration ».

Extraits :

Alice Weidel, qui avait promis le 7 décembre à ses partisans, de « remettre l’Allemagne sur le devant de la scène », est en passe de réussir son pari. En l’espace d’un mois, moyennant le soutien du milliardaire américain Elon Musk, la candidate de l’AfD à la Chancellerie est parvenue à se placer au centre de la campagne électorale alors même que son parti est rejeté par l’ensemble de la classe politique, que ses idées d’extrême droite se radicalisent et qu’il n’a aucune chance d’accéder au pouvoir à l’issue du scrutin du 23 février.

Cette démonstration de force s’est déployée ce week-end dans une salle de congrès de Riesa cernée par dix mille manifestants antifascistes, où l’Alternative pour l’Allemagne a entériné le choix de cette politicienne de 45 ans pour conduire la liste du parti. Par le tumulte médiatique qui l’a accompagné, l’événement a totalement éclipsé le congrès concurrent qui a vu Olaf Scholz, à Berlin, adoubé par le SPD. Le jour même, l’AfD atteignait de nouveau, pour la première fois depuis un an, la barre des 22 % dans les sondages, et ceci au détriment de son ennemi juré, la CDU de Friedrich Merz.

« Si la colère des partis établis augmente de jour en jour, c’est parce que nous avons du succès », a déclaré Alice Weidel, qui a su épouser les circonvolutions d’un parti éternellement tiraillé entre ses tentations bourgeoise et révolutionnaire. Aujourd’hui, le succès emprunte à la radicalité. Une tendance que cette dame à l’allure stricte et au verbe haut incarne parfaitement. (…)

Elle-même sort plutôt des salons. Contrairement à son allié, l’autre coprésident Tino Chrupalla, entrepreneur de peinture en bâtiment dans l’est de l’Allemagne, cette ancienne de la banque américaine Goldman Sachs est originaire du Bade-Wurtemberg, homosexuelle et, spécialiste de la Chine, parle couramment le mandarin. Elle n’affirme n’avoir jamais rien su du passé national-socialiste de son grand-père, qui fut juge sous le régime nazi.

Ce sage pedigree ne l’a pas empêchée de droitiser son discours au fil des mois et des échéances électorales. (…)

Lorsque, à l’hiver 2023, l’un de ses bras droits fut accusé de participer à un rassemblement d’identitaires germanophones prônant la « remigration », elle n’avait pas hésité à le congédier. Il faut dire que des millions d’Allemands manifestaient alors contre l’AfD et que les sondages étaient en chute libre. Depuis, sur fond de désagrégation du gouvernement Scholz et de difficultés économiques, le parti a renoué avec le succès. Dotée d’une plateforme radicale, l’Alternative fut au printemps dernier le principal vainqueur des élections européennes, et a remporté les élections en Thuringe en septembre. Mais le quotidien FAZ dénonce sa « radicalité frivole »« La modération suppose une responsabilité politique, observe le journal conservateur. Mais pour l’AfD il n’en a jamais été question – même si leurs dirigeants prétendent le contraire. »

Le principal artisan de ce succès régional en ex-RDA – le détail est important – n’est autre que Björn Höcke, chef de l’AfD en Thuringe. Cet idéologue dépourvu de tout mandat populaire représente l’aile radicale du parti flirtant avec les néonazis, aujourd’hui dissoute. C’est l’alliance avec cet intellectuel sulfureux, professeur d’histoire, qui a permis à Alice Weidel de s’imposer. « Elle représente le futur du parti », avait déclaré Höcke le 7 décembre, sous forme d’adoubement. Après la mise à l’écart de Tino Chrupalla, personnage pâlot, « il n’y avait pas d’autre choix », jugeait plus prosaïquement Stephan Brandner, député de Thuringe au Bundestag. (…)

Depuis, Alice Weil épouse la ligne de son influent parrain, lui qui n’hésite pas à s’en prendre à la culture mémorielle de l’Allemagne. (…) Enfin, la relation transatlantique est légèrement remise en cause à l’aune de l’antiaméricanisme historique défendu par les partisans de Höcke. Tout en remerciant Elon Musk d’avoir interviewé Alice Weidel et en « tendant la main » à Donald Trump, l’AfD explique que dans le « nouveau monde multipolaire, l’Allemagne ne doit plus être l’objet d’intérêts étrangers ». Le parti prône le rétablissement du gazoduc germano-russe Nord Stream combattu par Washington.

Dans un récent entretien au magazine américain The American Conservative, Alice Weidel déplore que l’Allemagne soit traitée comme « un peuple vaincu », semblant oublier que les États-Unis ont activement contribué à relever le pays après la Seconde Guerre mondiale. Aujourd’hui, plaide-t-elle, Berlin a le droit de « suivre sa propre voie »« Les États-Unis considèrent-ils l’Allemagne comme une colonie qui n’a pas le droit de décider de sa politique énergétique ? », s’inquiète-t-elle notamment. De quoi relativiser la connivence idéologique entre la candidate de l’Afd et le milliardaire Elon Musk, dont semble ne surnager que la promesse d’un hypothétique régime libertarien, a priori peu compatible avec l’électorat est-allemand d’extrême droite.

https://www.lefigaro.fr/international/legislatives-allemandes-la-fuite-en-avant-radicale-d-alice-weidel-20250114


Neue Zürcher Zeitung, 12 janvier, article payant     

Die Krise in Österreich zeigt: Die «Brandmauer» gegen die AfD könnte Deutschland teuer zu stehen kommen

Der Auftrag zur Regierungsbildung an Herbert Kickl muss für die CDU eine Warnung sein. Die Christlichdemokraten müssen aufpassen, dass sie nicht als Juniorpartner der AfD enden.

Extraits :

Wenn man eine politische Massnahme danach bewertet, was sie erreichen soll, dann waren die Koalitionsverhandlungen in Österreich ein kapitaler Fehlschlag. Von Beginn an ging es den drei Parteien ÖVP, SPÖ und Neos darum, die rechte FPÖ von der Regierung fernzuhalten. Nun werden die Rechten nicht nur aller Voraussicht nach mitregieren, sie könnten sogar den Kanzler stellen.

Selbst eine Neuwahl bietet keinen Ausweg. Die Partei liegt mittlerweile in Umfragen bei fast vierzig Prozent. Die Ausgrenzungsstrategie hat genau das Gegenteil dessen erreicht, was sie hätte erreichen sollen: Der Versuch, die Rechten kleinzuhalten, hat sie noch grösser gemacht.

Das hält Lehren auch für Deutschland parat. Die erste lautet: Im kleinen Nachbarland sieht man, was der Bundesrepublik noch blühen könnte. Entscheiden wird darüber die Politik der künftigen deutschen Regierung. Sie muss einen echten Politikwechsel herbeiführen.

Die Wahl am 23. Februar bietet womöglich die letzte Chance, ihn ohne die AfD zu gestalten. Die Wähler wollen mehr Sicherheit, sie wollen die Kontrolle darüber zurück, wer das Land betritt. Sie wollen eine Klima- und Energiepolitik, die die Industrie nicht aus dem Land treibt, und eine Gesellschaftspolitik, die nicht völlig aus dem Ruder läuft.

Allenthalben ist nun wieder die Rede von einem «Rechtsruck». Das ist Unfug. Was in Österreich und Deutschland geschieht, ist nur die Korrektur eines nahezu unaufhaltsamen Linksrucks in den vergangenen zwanzig Jahren. Insbesondere konservative Parteien haben reihenweise Positionen aufgegeben, die einmal zu ihrem Markenkern gehörten. Sie haben die Stimmung in den Talkshows verwechselt mit der Stimmung im Land.

Die Bürger waren aber nie so progressiv, wie es in den ausgeleuchteten Fernsehstudios den Anschein hatte. Der Aufstieg populistischer Parteien ist ein Ergebnis dieser Repräsentationslücke. (…)

Womit wir bei der zweiten Lehre aus Österreich sind: Ein künftiges politisches Bündnis sollte sich nur an inhaltlichen Fragen orientieren. Koalitionen, deren einziger Zweck darin besteht, andere am Regieren zu hindern, sind zum Scheitern verurteilt. (…)

Da die Christlichdemokraten jedwede Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen haben, bleiben ihr als mögliche künftige Partner nur Sozialdemokraten und Grüne (und womöglich die FDP). Mit beiden gibt es kaum Überschneidungen. Mit der SPD könnte die Union eine Reform des Sozialstaats vergessen, womöglich auch die weitere Ertüchtigung der Bundeswehr.

Mit den Grünen hingegen wäre eine strengere Kontrolle der Einwanderung ausgeschlossen, ebenso eine grundsätzliche Neuausrichtung der Klimapolitik. All das aber wollen die Wähler. Man muss nur auf die Umfragen blicken. (…)

Das führt zur letzten Lehre aus dem österreichischen Debakel: Die Strategie der «Brandmauer» hat einen hohen Preis. Selbstverständlich gibt es sehr gute Gründe, eine Zusammenarbeit mit der AfD auszuschliessen. Sie duldet Rechtsradikale in ihren Reihen, denen ein nationalistisches Deutschland vorschwebt. Ranghohe Parteimitglieder stellen die Mitgliedschaft in der Nato und der EU infrage. Jeder dieser Schritte hätte verheerende Konsequenzen für das Land und Europa. (…)

Wer aber nur aufgrund einer Brandmauer sämtliche Gespräche mit der AfD ablehnt, der gibt allen anderen Parteien gewaltige Verhandlungs- und auch Gestaltungsmacht. Sie wissen dann: Ohne uns geht es nicht.

Die Haltung der Christlichdemokraten ist bequem. Sie entbindet von der Pflicht, sich mit inhaltlichen Fragen auseinanderzusetzen. Nur so aber lässt sich das Politikangebot schärfen. Man kann den Aufstieg von Populisten nicht stoppen, indem man sie ignoriert und ausgrenzt. Man muss sich mit ihnen auseinandersetzen, möglichst nüchtern und bis an die Grenze des Zumutbaren.

Für die Union bedeutet das: Im Falle eines Wahlsiegs sollte sie zumindest Sondierungsgespräche mit der AfD nicht scheuen – mit klaren roten Linien. Deutschlands Westbindung beispielsweise ist unverhandelbar.

Macht die Union weiter wie bisher, könnte sie bei der Wahl 2029 als Juniorpartner der AfD enden. Dann stünde Deutschland noch vor ganz anderen Herausforderungen.

https://www.nzz.ch/der-andere-blick/krise-in-oesterreich-die-brandmauer-der-cdu-zur-afd-hat-einen-hohen-preis-ld.1864930


The Economist, 11 janvier, article payant      

The true believer : Olaf Scholz still thinks he can win re-election as chancellor

Someone has to

Extraits :

SOON AFTER Olaf Scholz defied the odds to win election as German chancellor in 2021, his jubilant party colleagues exulted over the coming “decade of social democracy”. Now he is set to fall having served barely a third of that. In the run-up to an election on February 23rd, polls give 16% to Mr Scholz’s Social Democrats (spd), placing them a distant third behind the centre-right Christian Democratic Union and its Bavarian ally, the Christian Social Union, or cdu/csu (31%), and the hard-right Alternative for Germany (20%). Germany’s economy is in the doldrums, war and uncertainty stalk the land, and voters are anxious. Yet as the spd prepares to anoint Mr Scholz its candidate on January 11th, the chancellor’s camp think their man can pull it off again. “It’s going to be hard but there’s absolutely a chance,” says Dorothee Martin, an spd mp from Mr Scholz’s home town of Hamburg.

The case proceeds like this. First, consider the previous election. Written off in 2021 as he is today, Mr Scholz executed a perfectly pitched campaign and led the spd to overcome the cdu/csu’s double-digit lead in its final weeks. (…)

Second, look at the opposition. Mr Scholz may be the most unpopular chancellor of modern times. But his main opponent, Friedrich Merz, the cdu/csu candidate, fares little better (see chart), and he is prone to gaffes. (…)

Third, peer ahead. The last month of Germany’s campaign will be the first of Donald Trump’s presidency, and Mr Trump will surely give voters reason to notice. A campaign now focused on wages, industry and immigration may in part turn on who can best respond to American tariffs, a proposed peace deal in Ukraine or demands to triple the defence budget. So far the spd campaign has been about unflashy reassurance: pay, pensions, investment and energy costs. This modest approach seems out of kilter with the scale of Germany’s challenges. But party strategists hope it will leave Mr Scholz well placed to present himself as the rock in whatever storm Mr Trump unleashes after January 20th. “Today ‘change’ and ‘progress’ sound like threats,” says Armand Zorn, an spd mp from Frankfurt. “Voters want stability and security.”

Can this really work? Mr Scholz may well make up ground in the campaign; the SPD usually does when trailing the cdu/csu. Although the chancellor’s governing style is plodding in the extreme, he enjoys playing the underdog and can be surprisingly effective on the stump, notes Daniel Brössler, author of “A German Chancellor”, a biography of Mr Scholz.  (…)

Yet for all that, the odds against a Scholz re-election look almost insurmountable. The lessons from 2021 are limited, says Peter Matuschek, of Forsa, a pollster. Mr Merz is more popular than Armin Laschet, the previous cdu/csu candidate, and Mr Scholz is both better known and less liked today. Just 8% of Germans think the spd is best placed to manage the country’s problems. Unlike in 2021, when Mr Scholz was an electoral asset for his party, today he is a drag on its support. Seen in that light, the spd’s decision to plaster his visage all over its posters may seem bold. (…)

The chancellor himself appears to have inexhaustible reserves of self-belief. Someone has to: 62% of the spd’s own supporters believe he will lose to Mr Merz. ■

https://www.economist.com/europe/2025/01/09/olaf-scholz-still-thinks-he-can-win-re-election-as-chancellor


L’Opinion, 27 décembre, article payant   

En Allemagne, le « frein au loyer » n’a pas réussi à enrayer la flambée des prix

Le prolongement du mécanisme, qui doit expirer en 2025, est en suspens avec la rupture de l’alliance gouvernementale d’Olaf Scholz.

Extraits:

La coalition d’Olaf Scholz avait prévu de prolonger le mécanisme d’encadrement des loyers jusqu’en 2029. En vigueur depuis 2015, celui-ci plafonne les loyers à la relocation à 10 % au-dessus du niveau de référence du quartier. Les baux en cours n’ont le droit de s’apprécier que de 15 % maximum sur trois ans. La mesure, appelée « frein au loyer » outre-Rhin, concerne plus de 400 communes aux marchés locatifs tendus qui accueillent un tiers de la population. Mais la rupture de l’alliance gouvernementale début novembre a mis un coup d’arrêt au projet. Sociaux-démocrates et Verts ont bien présenté le projet de loi au Parlement, mi-décembre, mais sans majorité, l’issue est incertaine. A deux mois des législatives anticipées de février, les conservateurs se font prier.

« Si rien ne se passe, le frein au loyer expirera le 31 décembre 2025 partout où ce ne sera pas intervenu avant. (…)

Le bilan de cet instrument est contrasté. En dépit de sa mise en place, l’Allemagne, qui compte environ 50 % de locataires, a connu une flambée des loyers entre 2014 et 2023 dans les principales grandes villes : Berlin (+102 %), Munich (+49 %), Cologne (+45 %), Francfort (+35 %), Hambourg (+33 %). La population a augmenté, l’offre locative n’a pas suivi avec une construction insuffisante souvent axée sur un segment haut de gamme. Le renchérissement du crédit après la crise sanitaire est venu accroître encore la pression sur le marché de la location.

Le mécanisme a également souffert des niches pour la location meublée dans laquelle se sont engouffrés nombre de propriétaires. Mais aussi de l’auto-censure des locataires en l’absence d’un mécanisme simplifié de contrôle et de sanctions. Des start-up juridiques ont fini par trouver là un modèle d’affaires en prenant en main les plaintes en échange d’une commission. Le « frein au loyer » a même été accusé d’entraver la construction. « Des balivernes », répond cependant Lukas Siebenkotten, « depuis le début, l’instrument exclut les logements neufs » ainsi que les logements rénovés de fond en comble. (…)

Le SPD d’Olaf Scholz a décidé de faire de la pérennisation de l’encadrement des loyers un argument électoral en vue des législatives anticipées du 23 février. Plus radical, le parti de gauche die Linke plaide pour un plafonnement pur et simple. La ville de Berlin avait introduit un tel mécanisme en 2020. Il avait été retoqué par la Cour constitutionnelle au motif que la décision était du ressort de l’échelon fédéral.

https://www.lopinion.fr/international/en-allemagne-le-frein-au-loyer-na-pas-reussi-a-enrayer-la-flambee-des-prix


Die Welt, 23 décembre, article payant   

Gerichtsakten belegen : Attentäter von Magdeburg drohte mit Anschlag wie beim Boston-Marathon

„Sowas passiert dann hier auch.“ Der spätere Magdeburg-Attentäter soll vor zehn Jahren damit gedroht haben, ein Verbrechen nach dem Vorbild des islamistischen Anschlags in Boston 2013 zu begehen. Das geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Rostock hervor, das WELT vorliegt.

Extraits:

Weil er den öffentlichen Frieden störte, wurde der Magdeburg-Attentäter Taleb al-Abdulmohsen schon im Jahr 2014 zu einer Geldstrafe verurteilt; das wurde am Wochenende bekannt. Was genau sich der heute 50-Jährige damals zu Schulden kommen lassen hatte, dazu lagen bislang keine Informationen vor.

Nun wird klar: al-Abdulmohsen soll damals damit gedroht haben, ein Verbrechen nach dem Vorbild des islamistischen Terroranschlags auf den Marathonlauf in Boston im Jahr 2013 zu begehen. Das geht aus einem Gerichtsurteil des Amtsgerichts Rostock aus dem Jahr 2014 hervor, das WELT vorliegt.

Bei der Explosion von zwei Bomben in der US-Metropole waren damals drei Menschen getötet und Hunderte verletzt worden.

Nach Auffassung des Rostocker Gerichts hatte der aus Saudi-Arabien stammende al-Abdulmohsen Anfang des Jahres 2013 einen Antrag auf Zulassung zur Facharztprüfung bei der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern gestellt. Die in der Ärztekammer als Leiterin des Referates für Aus- und Weiterbildung Beschäftigte forderte den Angeklagten auf, noch weitere Weiterbildungsinhalte zur Verfügung zu stellen, um zur Prüfung im Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie zugelassen zu werden.

In einem Telefonat im April 2013 zeigte sich der Mann damit unzufrieden, stellte der Frau eine Frist von zehn Tagen, um den Antrag zu bewilligen. Falls sie dieser Forderung nicht nachkomme, so sagte er „in ernst zu nehmender Weise“, werde „etwas Schlimmes mit internationaler Bedeutung“ geschehen. Ähnliche Drohungen schickte der Angeklagte auch per E-Mail an die Ärztekammer.

Laut Gericht äußerte der Angeklagte im Telefonat mit der Sachbearbeiterin sogar: „Haben Sie die Bilder aus Boston gesehen? Sowas passiert dann hier auch.“

Aus dem Urteil geht hervor, dass die Frau die Drohung sehr ernst nahm, da der Anschlag in Boston sich erst am Vortag ereignet hatte. Und auch das Verhalten des Angeklagten bereitete ihr Sorgen: „Anders als während eines persönlichen Gesprächs im Vorjahr sei der Angeklagte sehr ruhig und regelrecht kühl gewesen und habe den Eindruck erweckt, als hätte er sich die Konsequenzen für etwaige Situationen genau überlegt.“ Sie fertigte eine Gesprächsnotiz an und schaltete die Polizei ein. (…)

Das Amtsgericht verurteilte ihn dennoch zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen á 10 Euro. Der Angeklagte sei der deutschen Sprache „überdurchschnittlich gut mächtig und verfügte über ein umfangreiches Vokabular“. Dass er nicht gewusst habe, dass seine Worte bei seinem Gegenüber als Drohung gewertet werden würden, glaubte der Strafrichter nicht.

Zu Lasten des Angeklagten sei zu werten, dass er „eine für die gesamte Bevölkerung schlimme Lage, die kaum in Worte zu fassen ist, für eigene Zwecke ausgenutzt hat“. Er habe weder den Unrechtsgehalt seiner Tat eingesehen noch reumütiges Verhalten während der Hauptverhandlung an den Tag gelegt. „Auch eine Entschuldigung bei der anwesenden [Sachbearbeiterin] nach gutem Zureden durch das Gericht unterblieb.“ Das Urteil wurde 2015 rechtskräftig. (…)

https://www.welt.de/politik/deutschland/article254956706/Gerichtsakten-belegen-Attentaeter-von-Magdeburg-drohte-mit-Anschlag-wie-beim-Boston-Marathon.html


The Economist, 23 décembre, article payant      

Murder in Magdeburg : A horrific Christmas attack in Germany is weirder than expected

The far right tries to exploit a Saudi anti-Islamist’s murder spree

Voir « Article du Jour » !

PDF : https://kinzler.org/wp-content/uploads/2024/12/23-decembre.pdf

Link: https://www.economist.com/europe/2024/12/22/a-horrific-christmas-attack-in-germany-is-weirder-than-expected


The Economist, 19 décembre, article payant      

Fiery talk, low ambition : German politicians are talking tough, but offering little

Sparks fly as the election campaign kicks off—but the parties are scaling back their ambitions

Extraits:

ONE WEEK ago the leaders of Germany’s mainstream parties solemnly pledged to wage a fair-minded campaign in the run-up to the election due on February 23rd, triggered by last month’s premature collapse of the three-party coalition. Days later, they were tearing each other to shreds. Olaf Scholz, the chancellor and candidate for the Social Democrats (spd), said his opponents lacked “moral maturity”. Deploying the demotic of his home town of Hamburg, he dismissed Friedrich Merz, his rival from the conservative Christian Democrats (cdu), as “Fritze, who likes to talk Tünkram [nonsense]”.

Fritze gave as good as he got. The chancellor was displaying “sheer impertinence” and “living on another planet”, said Mr Merz. Worse, Mr Scholz was an “embarrassment” among his eu counterparts, unequal to the stature of his office. Accusations of dishonesty and duplicity flew back and forth like tennis balls. Germany’s election, only the fourth early vote in the post-war republic’s history, thus promises to be a rather livelier affair than usual.

The flurry of insults gave some high-minded German commentators a case of the vapours. Their nerves might be settled by a glance at the leading parties’ humdrum manifestos. Most were published on December 17th, the day after the Bundestag launched the mudslinging season by officially declaring that it had no confidence in Mr Scholz’s chancellorship. The programmes do offer competing visions for Germany’s future. But largely absent is any serious thinking about the country’s untold challenges: its flailing industrial model, its relations with China or its creaking pension system, which already gobbles up a quarter of federal spending in a rapidly ageing country.

Instead the scene is set for what, so far, looks like a traditional campaign focused on bread-and-butter concerns: jobs, taxes, prices and welfare. Precisely, in fact, the issues that German voters tell pollsters they care about. (…)

Yet another danger arises. In Germany, party manifestos are less programmes for government than opening gambits for post-election coalition negotiations. In politically simpler times, Germany’s left- and right-wing camps might hope to get majorities that made ideologically coherent coalitions possible. Today, politics is so fragmented that seven parties hope to enter the Bundestag, making that job harder.

The hard-right Alternative for Germany (afd), also campaigning on a message of economic recovery, is polling in second slot and hoping for its best-ever result. No other party will work with it. And even if the three parties hovering close to the 5% threshold (see chart 1) fail to qualify, the only possible two-party coalitions are likely to include Mr Merz’s cdu/csu and either the spd or the Greens. The risk is of a split-the-difference coalition agreement that is inadequate to meet Germany’s challenges. Populists will then position themselves as honest tellers of hard truths ignored by the mainstream. (…)

The recent tumult is not shifting the opinion polls much; the cdu/csu retains the big lead it has long held. The spd usually improves its standing during election campaigns. Yet number-crunching by The Economist shows that, ten weeks before the vote, the party faces a polling deficit relative to the cdu/csu larger than any it has ever overcome since reunification, including in Mr Scholz’s naysayer-defying win in 2021 (see chart 2). The chancellor’s aides continue to insist victory is possible, especially if they can goad the irascible Mr Merz into losing his cool. “It’s certainly going to be a rough, tough campaign,” says Tilman Kuban, a cdu mp. Expect more fruity language as Germany’s election kicks into gear. ■

https://www.economist.com/europe/2024/12/19/german-politicians-are-talking-tough-but-offering-little


New York Times, Guest Essay, 17décembre, article payant   

Germany Doesn’t Feel Like Germany Anymore

Extraits:

When I recently picked up a rental car in Las Vegas — I was in America to cover the elections — the agent at the counter insisted on “upgrading” me to a BMW. “So you feel at home,” he said, looking at my German driver’s license, smiling. I took the keys and made a mental note: Outside Germany, Germany is still intact.

I often find this when I travel. Outside Germany, Germany is still a car country, home to a flourishing economy. Outside Germany, Germany is still a prosperous country, where everybody drives a BMW or the like. Outside Germany, Germany is still a well-ordered country, a pleasant place both politically and socially. I smiled back at the agent. But inwardly, I winced. Because in Germany, Germany doesn’t feel like Germany anymore.

On Monday, Chancellor Olaf Scholz lost a vote of confidence at the Bundestag, Germany’s parliament, officially ending his government. It was a formality: The three-party coalition had fallen in early November, when Mr. Scholz dismissed the finance minister, Christian Lindner, prompting his Free Democrats to quit the administration. The move left Mr. Scholz, a Social Democrat, with a minority government alongside the Greens. Rather than stagger on, he decided to call snap elections that will be held on Feb. 23. The no-confidence vote was a final piece of housekeeping.

At first glance, the story of the government’s breakdown looks like a rather dull “House of Cards” political thriller, centered on a budget fight. Underneath the noise, however, there’s an existential crisis. The economically prosperous, socially cohesive and politically stable Germany has gone. And this government, ideologically torn and rocked by outside shocks, proved unable to cope. How did we get here? (…)

The reasons for the downturn are complex. The abrupt end of cheap Russian gas is a big factor, of course, but so is the government’s agenda of green reforms, which — by phasing out coal and relying more on renewables — have exacerbated the cost of energy. That hasn’t helped German car manufacturers, who are struggling to compete with their Chinese counterparts. Some companies have clearly made poor decisions, but the government has failed to support them, too. Generally, the government is guilty of underinvesting not only in key industries but also in schools, railways and roads. Overall, the picture is grim. (…)

All the while, a toxic debate on migration has been brewing. Since 2015, millions of people have come to Germany, including, most recently, roughly a million Ukrainians. The country’s attitude has been bipolar. On the one hand, the fact that Germany is a multiethnic, multireligious society is widely accepted. But on the other, there’s simmering discontent — periodically cresting into waves of anger — about immigration. The government has offered a similarly mixed response, at once making it easier for skilled workers to migrate and imposing strict border controls, with tougher asylum measures and more deportations. The approach hasn’t really pleased any one.

These travails have combined to devastating political effect. In the face of so many difficulties, it has become increasingly hard to govern. (…)

Not all is lost, though. Germany’s crisis is real, but it is as much a crisis of confidence as anything else. Unemployment may grow but is still minimal. Our budgetary restrictions, far from a force of nature, can be overcome with political will. The party system is fracturing, but even the most divided states have been able to form governments: Next year we may well see the return of a stable coalition between the Christian Democrats and the Social Democrats. Having integrated generations and generations of immigrants, there’s no reason we can’t do it again. (…)

And yet it is worth paying close attention. Germany could be the canary in the coal mine for Western societies. Most of our neighbors and friends face the same troubles: the costs of transforming carbon-based economies, the perils of responding to new geopolitical challenges, the difficulties of achieving social cohesion. If Germany, that most temperate zone of world politics, is not able to do it, who is?

https://www.nytimes.com/2024/12/17/opinion/germany-scholz-government-election.html


Le Figaro, 17 décembre, article payant

Allemagne : qu’est-ce que la «question de confiance», posée aux députés ce lundi par Olaf Scholz ?

DÉCRYPTAGE – La coalition gouvernementale, composée du SPD, des Verts et des libéraux du FDP, au pouvoir depuis la fin 2021, a volé en éclat le 6 novembre.

Extraits:

Le chancelier Olaf Scholz a perdu ce lundi 16 décembre un vote de confiance au Bundestag, la chambre basse du Parlement allemand : 394 députés ont voté contre, 207 ont voté pour et 116 se sont abstenus. Ce résultat ouvre la voie à des élections fédérales anticipées ; Olaf Scholz va désormais demander au chef de l’État Frank-Walter Steimeier de dissoudre le Bundestag. Le scrutin se tiendra le 23 février 2025. Le calendrier prévoyait initialement les prochaines élections législatives en septembre 2025.

La coalition gouvernementale, composée du parti social-démocrate (SPD), des Verts et des libéraux du FDP, au pouvoir depuis la fin 2021, a volé en éclats le 6 novembre dernier, après le limogeage du ministre des Finances libéral Christian Lindner en raison de différends sur la politique économique et budgétaire. Mais qu’est-ce qu’une question de confiance, outre-Rhin ? Que prévoit la Loi fondamentale de 1949, qui a valeur constitutionnelle en Allemagne ? Et quel est le calendrier ? 

La procédure, qui peut être associée à un vote sur un projet de loi (comme l’article 49.3 en France), est encadrée par l’article 68 de la «Grundgesetz». Cette dernière dispose que «si une motion de confiance proposée par le chancelier fédéral n’obtient pas l’approbation de la majorité des membres du Bundestag, le président fédéral peut, sur proposition du chancelier fédéral, dissoudre le Bundestag dans les vingt et un jours. Le droit de dissolution s’éteint dès que le Bundestag a élu un autre chancelier fédéral à la majorité de ses membres»

Si dissolution il y a, «les élections anticipées doivent avoir lieu dans un délai de 60 jours»précisent les services consulaires allemands. Ces dernières auront lieu le 23 février. Le gouvernement déchu reste en place et expédie les affaires courantes jusqu’à ce qu’un nouveau gouvernement soit formé – Outre-Rhin, cela peut prendre plusieurs mois. (…)

Cette question de confiance ressemble à la motion de censure française – celle-là même qui a provoqué la chute du gouvernement de Michel Barnier le 4 décembre. L’article 49 de la Constitution encadre son utilisation dans deux cas. Elle peut être spontanée, c’est-à-dire à l’initiative des parlementaires, ou faire suite à l’engagement de la responsabilité du gouvernement sur le vote d’un texte. Si la motion est votée par une majorité de députés, le premier ministre remet au président de la République la démission de son gouvernement. Ce dernier est alors démissionnaire et traite les affaires courantes jusqu’à ce qu’une nouvelle équipe gouvernementale soit constituée. Comme en Allemagne, le président de la République n’est pas obligé de dissoudre l’Assemblée nationale. 

https://www.lefigaro.fr/international/allemagne-qu-est-ce-que-la-question-de-confiance-posee-aux-deputes-ce-lundi-par-olaf-scholz-20241216


Le Point, 17 décembre, article payant   

Allemagne : Olaf Scholz perd la confiance des députés et enclenche les législatives

Sans majorité parlementaire depuis un mois, le chancelier va désormais demander au chef de l’État de dissoudre la chambre pour la tenue du scrutin le 23 février.

Extraits:

Olaf Scholz a perdu, ce lundi 16 décembre, le vote de confiance des députés allemands, refermant le chapitre d’un mandat écourté par l’implosion de sa fragile coalition gouvernementale qui va conduire l’Allemagne à des élections législatives le 23 février.

Trente-cinq jours après l’éclatement de sa coalition tripartite (SPD, Verts, libéraux), et sans majorité parlementaire depuis, le chancelier a posé cette question de confiance aux députés du Bundestag en vertu de l’article 68 de la Constitution, dans le but de la perdre et de lancer la procédure officielle pour des élections anticipées.

Cette procédure va permettre de demander « aux électrices et aux électeurs » de se prononcer sur la question « fondamentale » du cap à suivre pour le pays aux prises avec une grave crise économique, a défendu, ce lundi, le dirigeant social-démocrate.

Le résultat est conforme à l’objectif : parmi les députés présents, 394 ont voté contre la confiance tandis que 207 ont voté pour, avec 116 abstentions. Le chancelier a souri à cette annonce et s’est tourné vers son vice-chancelier, l’écologiste Robert Habeck, pour lui serrer la main. Le dirigeant va désormais demander au chef de l’État, Frank-Walter Steinmeier, de dissoudre la chambre, et permettre ainsi la tenue du scrutin à la date convenue en février.

C’est la sixième fois seulement dans l’histoire de l’après-guerre qu’un chancelier fait appel à la motion de censure. Utilisé avec parcimonie, l’article 68 a pour mission d’assurer la stabilité politique de l’Allemagne d’après-guerre et d’éviter les débordements de la République de Weimar.

C’est un des rares moyens qui existe en Allemagne pour provoquer des élections anticipées. Willy Brandt fut le premier, en 1972, à en faire usage. Une procédure à haut risque. Elle fut fatale à Gerhard Schröder. En 2005, il perdit son pari au profit d’Angela Merkel. Il eut beaucoup de mal à lui céder son poste. Angela Merkel gouverna ensuite pendant seize ans. (…)

https://www.lepoint.fr/monde/apres-la-france-l-allemagne-en-route-vers-une-crise-politique-11-12-2024-2577749_24.php


Neue Zürcher Zeitung, 17 décembre, article payant     

«Olaf Scholz glaubt tatsächlich, dass die Bürger ihn wiederwählen», sagt der Politologe Klaus Schroeder

Der Bundeskanzler sieht sich nach der Vertrauensfrage als Herr der Lage, so der Zeithistoriker. Oppositionsführer Friedrich Merz habe leichtfertig einen Trumpf aus der Hand gegeben.

Extraits:

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Montag dem Parlament die Vertrauensfrage gestellt. Die Abgeordneten entzogen ihm das Vertrauen und machten den Weg zu Neuwahlen frei. Der Politikwissenschafter Klaus Schroeder beobachtet die deutsche Politik seit Jahrzehnten. Im Gespräch mit der NZZ erklärt er, welches Kalkül der Kanzler mit diesem Schritt verfolgt und wie es nach der Vertrauensfrage weitergeht.

Kanzler Olaf Scholz das Vertrauen entzogen. Wie geht es jetzt weiter?

(…) Die sogenannte Vertrauensfrage ist eine eingespielte Prozedur. Der Kanzler muss sie mehrere Tage vorher beantragen. Wenn er sie stellt, spekuliert er darauf, dass ihm die Opposition das Vertrauen entzieht: Er will Neuwahlen. Und Scholz glaubt tatsächlich, dass die Bürger ihn wiederwählen. Er sagte, unter einem christlichdemokratischen Kanzler wolle er nicht Minister werden. Er kandidiert also sehr selbstbewusst für die SPD.

Wie wahrscheinlich ist seine Wiederwahl?

Gar nicht, wenn es nach den neusten Umfragen geht. Scholz hat gedacht, die Wähler würden es goutieren, dass er den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner aus der Regierung entlassen hat. Sein Kalkül ist nicht aufgegangen. Nach CDU und CSU und der AfD landet die SPD auf dem dritten Platz. (…)

Nach dem Ausstieg der FDP aus dem Kabinett hatte aber Scholz nicht mehr die Mehrheit im Parlament. Neuwahlen waren unausweichlich.

Die Opposition hätte allerdings eine andere Möglichkeit gehabt, Scholz mit sofortiger Wirkung aus dem Amt zu zwingen. Friedrich Merz und seine Fraktion aus CDU und CSU liessen sie ungenutzt verstreichen.

Nämlich?

Das konstruktive Misstrauensvotum. Mit diesem Verfassungsinstrument kann die Opposition den Vorsitzenden ihrer stärksten Fraktion zum Kanzler wählen. CDU und CSU haben sich das aber nicht getraut, weil sie dafür die Stimmen der AfD gebraucht hätten. Daher das unwürdige Schauspiel rund um den Wahltag und das Datum der Vertrauensfrage. (…)

Warum hat sich das Merz nicht getraut?

Aus Angst, sich dadurch angreifbar zu machen. Sofort hätte es geheissen: Er hat sich von der AfD zum Kanzler wählen lassen. Das wollen die Christlichdemokraten und Christlichsozialen um jeden Preis vermeiden. (…)

Merz hält sich eine Koalition mit den Grünen und der SPD offen. Er sagt, eine Zusammenarbeit mit der AfD würde die CDU «umbringen».

Seine Skepsis gegenüber der AfD ist verständlich. Ihr Antiamerikanismus und ihre prorussische Einstellung sind für die Christlichdemokraten inakzeptabel. Aber die AfD auszugrenzen, hat sie nur noch stärker gemacht. Übrigens vertritt das Bündnis Sahra Wagenknecht die beinahe identischen aussenpolitischen Positionen. Damit hat die CDU anscheinend weniger Probleme.

Am liebsten würde Merz mit der FDP koalieren. Aber selbst wenn sie über fünf Prozent der Stimmen erreicht und in den Bundestag einzieht, reicht es wahrscheinlich nicht für eine absolute Mehrheit. Also macht er Zugeständnisse an Rot-Grün. (…)

Welchen Eindruck machte Scholz auf Sie während der Bundestagsdebatte am Montag?

Scholz spielte sein übliches Wahlkampfprogramm ab: Er will mehr Schulden aufnehmen, und er meint, er könne Arbeitsplätze retten, indem er die Industrie subventioniert. Das läuft auf einen Staatsdirigismus hinaus, der mit sozialer Marktwirtschaft nicht mehr viel zu tun hat. Und da war auch noch der Affront gegen Lindner, gleich zu Beginn seiner Rede.

Scholz warf dem ehemaligen Finanzminister vor, er habe der «Demokratie geschadet», weil er seine Politik nicht mehr mittragen wollte.

Eine Unverschämtheit sondergleichen. Dass die FDP auf mehr Markt und weniger Staat setzt, ist nicht nur eine legitime Position im demokratischen Wettbewerb. Die von ihr vorgeschlagenen Reformen sind auch wirtschaftspolitisch dringend geboten.

Und diese Wortwahl beunruhigt mich auch aus einem anderen Grund. Laut Umfragen ist nicht einmal mehr die Hälfte der Deutschen damit zufrieden, wie die Demokratie in Deutschland praktiziert wird. Der Kanzler drückt sich aus, als gäbe es diese Vertrauenskrise gar nicht.

https://www.nzz.ch/international/scholz-und-die-vertrauensfrage-wie-merz-seinen-groessten-trumpf-aus-der-hand-gab-ld.1862683


The Economist, 14 décembre, article payant      

Deutsche Politik : What to expect after Germany’s confidence vote

Much like voters in the rest of the world, Germans are fed up with their government

Extraits:

ON DECEMBER 16TH Olaf Scholz, Germany’s chancellor, will hold a parliamentary confidence vote that he is almost certain to lose. His three-party coalition fell apart last month, paving the way for early elections, expected on February 23rd. The mood in Germany is glum: Europe’s largest economy has barely grown in six years, and political infighting stalled progress on badly needed reforms. Much like incumbents in the rest of the world, Mr Scholz’s Social Democrats (SPD) can expect a beating. Three charts help explain why.

A regular survey by Forschungsgruppe Wahlen, a pollster, shows that one issue has overtaken all others among German voters. In its latest survey, on December 6th, one-third of respondents said the “economic situation” was Germany’s most pressing problem (up from the fourth-biggest issue one year ago). About 43% said that Germany’s economic situation was “bad”—the highest share since the aftermath of the financial crisis in 2007-08.

There is good reason for the pessimism: the European Commission forecasts that Germany’s economy is expected to grow by just 0.7% in 2025—the lowest forecast in the EU. Tariffs imposed by the incoming Trump administration in America could put its economy back into decline. Struggling economies have hurt incumbent governments in other countries this year. In America and Britain, for example, voters cited the economy as the most pressing issue as they gave their respective leaders the boot.

Who might take over from the SPD? Polls suggest that the centre-right Christian Democrats (CDU), along with their Bavarian sister party, the Christian Social Union (CSU), should comfortably become the biggest party in parliament. The CDU/CSU is polling at 31%—the SPD manages a little over half that. The hard-right Alternative for Germany (AfD), meanwhile, could become the second-largest party in the Bundestag for the first time.

Yet the AfD has no chance of entering government. Mainstream parties in Germany, unlike those in many other European countries, refuse to work with the hard right. The AfD’s strength in parliament will, though, complicate the formation of a coalition. If Friedrich Merz, the CDU/CSU’s chancellor-candidate, is lucky, he will be able to choose either the SPD or the Greens as a junior partner. If not, he may need both to make up the numbers. A second consecutive three-party coalition might struggle to deliver the economic turnaround Germans yearn for. ■

https://www.economist.com/graphic-detail/2024/12/13/what-to-expect-after-germanys-confidence-vote


Neue Zürcher Zeitung, Opinion, 6 décembre, article payant     

Deutschland ist kein liberales Land. Mit sozialer Sicherheit gewinnt man Wahlen, mit Freiheit nicht

Der Staat geht immer vor Privat. Vergeblich kämpft die FDP gegen den Zeitgeist und eine linke Schmutzkampagne.

Extraits:

Man nehme ein zweitrangiges Detail, füge eine Portion Empörung hinzu und rühre das Ganze so lange, bis der Brei der Halbwahrheiten schön sämig ist. Dann serviere man ihn der Öffentlichkeit als feststehende Tatsache.

Das ist das Rezept für eine perfekte Medienkampagne, wie sie gerade die FDP erlebt.

Die Liberalen sollen nicht nur einen von langer Hand geplanten Verrat an ihren Koalitionspartnern begangen haben. Sie demonstrieren angeblich ihre niedere Gesinnung auch durch martialische Wortwahl und Wählertäuschung.

In einem internen Papier der Parteizentrale fand sich der Begriff «D-Day». Das sei doch «Kriegssprache», schleuderte die ARD-Moderatorin Jessy Wellmer dem Parteichef Christian Lindner entgegen. Wie die Liberalen dazu kämen, den Koalitionsbruch mit der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus zu vergleichen.

Es war weniger ein Interview als ein Verhör. ARD und ZDF sehen sich als heilige Inquisition – zumindest wenn es um bürgerliche Politiker geht. (…)

Entdeckt er einen Anlass, um die FDP niederzumachen, lässt der linksliberale Teil der veröffentlichten Meinung sämtliche Hemmungen fahren. (…)

Ohnehin sollte man den antiliberalen Furor in einem grösseren Zusammenhang sehen: Die kulturelle Hegemonie von Rot-Grün ist gebrochen. Deutschland wird konservativer.

Wokeness und Identitätspolitik haben ihren Zenit überschritten, was sich auch an der deutlichen Niederlage der Demokraten in den USA ablesen lässt. Umso wichtiger ist es für die linksliberalen Kräfte, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Es sind Rückzugsgefechte einer untergehenden Leitkultur.

Kommt hinzu, dass Liberale seit je einen schweren Stand haben. Prinzipien wie wirtschaftliche Freiheit oder Selbstverantwortung besitzen in Deutschland einen geringeren Stellenwert als Gleichheit und soziale Gerechtigkeit.

Die Selbstbeschränkung des Staates auf eine Rolle als Garant der freiheitlichen Rahmenbedingungen ist der deutschen Tradition wesensfremd. Das galt für den protestantischen Preussen Bismarck wie den katholischen Rheinländer Adenauer.

Der starke Staat interveniert und reguliert. Er greift selbst dort ein, wo Private es besser können. Das ist auch die Grundlage, auf der sich Union und SPD zu verständigen vermögen. Ein Beispiel hierfür ist die Industriepolitik, die Merkel genauso betrieb wie Scholz. (…)

CDU und SPD: zwei etatistische Parteien, die sich in der Frage unterscheiden, wo der Staat Prioritäten setzen soll.

Deutschland ist kein liberales Land. Zuerst kommt das Kollektiv, dann die individuelle Freiheit. (…)

Freier Wettbewerb schafft nicht mehr Sicherheit, im Gegenteil. Er geht mit Konkursen und Stellenabbau einher. Deshalb scheuen die Deutschen vor liberalen Ideen zurück, obwohl diese langfristig mehr Wert generieren als staatlicher Denkmalschutz für nicht mehr lebensfähige Industrien. (…)

Nur wer zur Disruption bereit ist, baut Neues auf. Lindner hat recht, wenn er Deutschland eine Prise Milei und Musk wünscht.

Doch der Zeitgeist ist gegen den Liberalismus. Die Linke verteidigt verbissen ihre zerbröselnde Vorherrschaft, die Konservativen spüren Aufwind.

Wenn die FDP aus dem Bundestag fliegt, dann liegt es an diesem Klima und nicht am Umgang der Partei mit einem verunglückten Strategiepapier oder an der Person des Vorsitzenden.

Für Deutschland wäre es ein Verlust. Diversität ist nicht nur ein wokes Modewort. Gerade in Politik und Wirtschaft ist die Vielfalt der Ideen überlebenswichtig. Schwarz-roten Einheitsbrei gibt es genug.

https://www.nzz.ch/der-andere-blick/christian-lindner-und-die-fdp-das-d-day-pa


-generalsekretaer-den-wahlkampf-managen-ld.1860209


Wall Street Journal, Editorial, 29 novembre, article payant      

The Election Campaign Europe Needs

Germans may finally get a chance to vote for economic growth.

Extraits:

Germany is Europe’s largest economy and a bulwark for the euro currency, and what happens there matters for the U.S. So it’s a relief to see the country finally may get what it, and Europe, desperately need: an election campaign in which economic growth is on the ballot. (…)

The root of the trouble is a two-decade-plus forced march toward net-zero climate policies that have jacked up energy prices. Mr. Scholz’s administration tried to accelerate this transition, which accelerated the economic damage. A constitutional-court ruling last year forced Berlin to fund green subsidies on the balance sheet (subject to the balanced-budget amendment) rather than via off-balance-sheet borrowing. Berlin now knows it can’t afford to pay businesses and households to paper over net zero’s costs.

Now voters will get a say.  (…)

The FDP stands no chance of winning a plurality in the election, but the center-right Christian Democrats (the CDU and Bavarian sister CSU) do, and they’re going big for economic growth. Party leader and likely next Chancellor Friedrich Merz this month delivered a speech in the Bundestag calling for “fundamentally different” policies that “above all focus on more investment and more jobs.”

Mr. Merz is calling for welfare reforms to boost work and tax cuts on individuals and companies. The CDU’s platform proposes a shift to technology-neutral climate policies, which would end favoritism for wind, solar and battery-electric vehicles at the expense of other options such as hydrogen power. He has to offer some climate policies for an electorate still conditioned to view net zero as an article of faith, but this at least steers those policies toward market principles. (…)

The political left’s answer is to talk about the economy as little as possible. (…)

Mr. Lindner’s FDP may be the savviest party about business investment and economic growth, but it’s also tarred by its association with the SPD and Greens. He’s campaigning now on fiscal rectitude by promising to check Mr. Merz’s possible ambition to weaken the balanced-budget amendment. Fiscal discipline sells in Germany, and for once in Europe the party campaigning to balance the budget believes economic growth rather than heavier taxation is indispensable to that cause. (…)

Events could change the election debate. But for now German voters can enjoy the minor miracle of a European election in which economic growth is one of the options.

https://www.wsj.com/opinion/germany-election-olaf-scholz-christian-lindner-friedrich-merz-economic-growth-1b37170c?mod=opinion_lead_pos4


Le Point, 28 novembre, article payant   

EXCLUSIF. Angela Merkel au « Point » : « La démocratie libérale est en danger »

INTERVIEW. Poutine, Trump, Macron… Celle qui fut la femme la plus puissante du monde publie ses Mémoires, « Liberté » (Albin Michel), et confie au Point ses réflexions sur l’état de la planète.

Extraits :

Le bilan d’Angela Merkel divise les Allemands plus que sa politique ne l’a jamais fait pendant ses seize années à la chancellerie. Certains font remonter la cause de tous leurs maux du moment à ses choix stratégiques : l’ouverture à la mondialisation, l’accueil des réfugiés fuyant la guerre civile syrienne, la sortie du nucléaire, le pari sur le marché chinois, l’entente avec Vladimir Poutine pour bénéficier du gaz russe à bon marché… D’autres au contraire se souviennent avec nostalgie de la période où elle dirigeait le pays avec bienveillance et pondération. À leurs yeux, le « moment Merkel » apparaît rétrospectivement comme une parenthèse bénie avant le basculement dans un monde de plus en plus âpre.

Trois ans après son départ du pouvoir, ses Mémoires (en français chez Albin Michel, 688 p., 32 €) paraissent dans une Allemagne qui redevient, comme à la fin des années 1990, « l’homme malade de l’Europe » (…) .

Le titre de votre livre, « Liberté », évoque une denrée qui se fait rare. Quelles sont les raisons de rester optimiste ?

Nous nous rendons compte, à l’heure actuelle, que la liberté ne va pas de soi. Chaque génération doit se battre à nouveau pour préserver les acquis. Peut-être étions-nous trop optimistes en 1990, après la fin de la guerre froide. Nous pensions que tout serait plus facile, que nous étions engagés de façon irréversible sur le chemin de la liberté. Mais, comme certaines évolutions nous l’ont montré depuis lors – par exemple en Pologne, avant l’élection de Donald Tusk, ou en Hongrie –, la démocratie libérale court toujours le danger d’être amputée. Cela m’inquiète, certes, mais cela ne me décourage pas. C’est pourquoi je trouve le titre de mon livre, Liberté, très approprié à l’heure actuelle. D’autant plus que le thème de la liberté est un fil conducteur pendant ma vie en RDA, un État où la liberté n’existait pas, et après 1990, où j’ai pu œuvrer pour permettre aux gens d’avoir une bonne vie en garantissant leurs libertés. (…)

Mais l’Europe et l’Ukraine ne seraient-elles pas en meilleure position aujourd’hui si les propositions de Macron pour l’Europe de la défense avaient été suivies ?

Je ne le pense pas. Nous avons, en Allemagne, un tout autre système politique qu’en France. Nous ne pouvons, par exemple, autoriser aucune mission de la Bundeswehr à l’étranger sans l’accord du Parlement. Contrairement au président français, une chancelière ne peut pas prendre seule des décisions d’une portée aussi grave, même si elle le souhaite. (…)

Avez-vous été trop indulgente avec Vladimir Poutine ?

Non, je ne le crois pas. J’ai agi de toutes mes forces pour que n’advienne pas ce qui est arrivé en février 2022 [l’invasion de l’Ukraine, NDLR], et, d’ailleurs, l’Ukraine était en 2022 dans une position bien meilleure qu’auparavant. Un élément qui a accéléré l’agression a été la période de la pandémie, pendant laquelle il y a eu très peu de contacts personnels du président Poutine avec les dirigeants occidentaux. J’étais bien au courant de ses convictions, mais, pour le dire très clairement, rien ne peut justifier l’invasion de l’Ukraine. L’agression russe a créé une nouvelle situation qui a obligé les pays occidentaux à réagir. J’appuie leur décision.

L’Allemagne était très dépendante du gaz russe, malgré les nombreux avertissements quant aux conséquences géopolitiques prévisibles…

Mes décisions de l’époque s’appuyaient sur deux fondements. Premièrement, le coût élevé de l’énergie. Contrairement à la France, nous sommes décidés à nous passer de l’énergie nucléaire. À côté du gaz norvégien et du gaz néerlandais, dont les quantités n’étaient pas suffisantes pour satisfaire les besoins allemands, le gaz russe était le moins cher. Deuxièmement, j’estimais qu’il était important, pour des raisons politiques, d’entretenir des relations économiques avec la Russie. Il faut rappeler aussi que la Pologne et l’Ukraine n’étaient pas opposées au gaz russe par principe. Ces pays étaient contre les gazoducs Nord Stream 1 et 2 [qui passaient sous la mer Baltique, NDLR] parce qu’ils permettaient à la Russie de devenir indépendante des pays de transit et de nous livrer son gaz sans avoir à payer de royalties. C’est la raison pour laquelle j’ai insisté – notamment pour Nord Stream 2 – pour que nous conservions un accord de transit avec l’Ukraine, afin que cette source de revenus ne se tarisse pas complètement pour elle. L’accord s’était d’ailleurs concrétisé, et, malgré la guerre qui se poursuit depuis près de trois ans, du gaz transite encore, jusqu’à la fin de cette année, via l’Ukraine.

L’énergie nucléaire est une pomme de discorde entre la France et l’Allemagne. N’était-il pas prématuré de décider de s’en passer dès 2011 ?

L’acceptation de l’énergie nucléaire par l’opinion publique en Allemagne ne se compare en rien à la situation française. Depuis les années 1990, d’importantes manifestations accompagnent les transports Castor de combustible irradié retraité dans l’usine de La Hague. Il a fallu déployer jusqu’à 30 000 policiers. J’étais pour ma part une partisane déclarée de l’énergie nucléaire à des fins pacifiques. J’ai changé d’avis après l’accident provoqué par un tsunami dans la centrale atomique japonaise de Fukushima. Cet événement m’a appris que, même dans un pays hautement développé comme le Japon, des choses qu’on juge inenvisageables peuvent advenir. J’avais attribué l’accident de Tchernobyl [en 1986 en Ukraine, NDLR] à la négligence qui régnait alors en Union soviétique. Mais, après Fukushima, il devenait injustifiable, à mes yeux, de continuer à utiliser cette technologie de manière durable.

Le modèle économique allemand est-il cassé avec la fin du gaz à bon marché, les revers de la mondialisation, les guerres commerciales avec la Chine ?

Non. L’économie sociale de marché est et reste la meilleure garantie de réussite économique et de justice sociale. Mais, comme beaucoup d’autres choses, ce modèle est sous pression en ce moment. Nous avons une industrie plus puissante que dans beaucoup d’autres pays européens et avons donc misé sur le multilatéralisme. (…) Aujourd’hui, l’économie allemande doit se diversifier davantage. Cela doit s’accompagner d’une transition vers la production décarbonée. Tout cela met à l’épreuve l’économie allemande. Cependant, l’Allemagne a déjà de nombreuses fois montré qu’elle pouvait se sortir de passes difficiles. (…)

Peut-on encore soutenir que l’avenir de l’Allemagne est d’être une terre d’immigration ?

Nous devons réduire la migration illégale de ceux qui viennent à nous, au péril de leur vie, en versant des sommes considérables à des contrebandiers et à des trafiquants. Ce dont l’Allemagne a besoin en revanche, vu sa situation démographique, c’est d’organiser la migration légale de la main-d’œuvre spécialisée. 

« Liberté », d’Angela Merkel et Beate Baumann (Albin Michel, 688 p., 32 €).

https://www.lepoint.fr/monde/angela-merkel-la-democratie-liberale-est-en-danger-27-11-2024-2576568_24.php


Neue Zürcher Zeitung, 28 novembre, article payant     

Robert Habeck überholt Olaf Scholz bei der Kanzlerfrage – die neuesten Umfragen zur Bundestagswahl 2025

Wie schneiden die Parteien vor der Bundestagswahl am 23. Februar ab, und wen wünschen sich die Deutschen als Kanzler? Die neuesten Umfragen im NZZ-Wahltrend, regelmässig aktualisiert.

Extraits:

Einzelne Umfragen zur Bundestagswahl unterliegen teilweise erheblichen Schwankungen und können ein verzerrtes Stimmungsbild vermitteln. Der NZZ-Wahltrend kombiniert mehrere Umfragen und liefert so eine stabilere Einschätzung der Wahlabsichten. Neuere Befragungen werden dabei stärker gewichtet als ältere.

Der jüngste Wahltrend zeigt demnach ein deutlich verändertes Kräfteverhältnis im Vergleich zur Bundestagswahl 2021. Damals lag die SPD noch knapp vor der Union. Heute hat sie nicht nur diesen Vorsprung verloren, sondern wurde auch von der 2013 gegründeten AfD überholt. Gemeinsam mit ihrem ehemaligen Koalitionspartner, der FDP, verzeichnet die SPD die grössten Verluste im Vergleich zur vergangenen Wahl. (…)

https://www.nzz.ch/visuals/bundestagswahl-2025-neuste-umfragen-und-prognosen-ld.1605950


Le Monde, 26 novembre, libre accès

En Allemagne, Olaf Scholz désigné candidat à sa propre succession, malgré son impopularité

Le Parti social-démocrate est crédité d’environ 15 % des intentions de vote, alors que les conservateurs de l’Union chrétienne-démocrate (CDU) et leurs alliés bavarois (CSU) en recueillent 33 % et le parti d’extrême droite Alternative pour l’Allemagne (AfD), 18 %.

https://www.lemonde.fr/international/article/2024/11/25/en-allemagne-olaf-scholz-designe-candidat-a-sa-propre-succession-malgre-son-impopularite_6413575_3210.html


Le Point, 24 novembre, article payant   

Olaf Scholz, un candidat mal aimé pour un scrutin périlleux

À moins de 100 jours des législatives en Allemagne, les sociaux-démocrates vont devoir serrer les rangs derrière le chancelier, loin de faire l’unanimité.

Extraits :

Le doute est levé, mais le mal est fait. Olaf Scholz reste le candidat des sociaux-démocrates dans la course à la chancellerie, mais son image en a pris un sacré coup. Après des semaines de spéculation, le très populaire ministre social-démocrate de la Défense Boris Pistorius vient de déclarer dans un message vidéo qu’il ne se présenterait pas aux élections du 23 février prochain et qu’il n’en avait d’ailleurs jamais eu l’intention. (…)

Olaf Scholz est un candidat mal aimé. L’échec retentissant de la coalition tripartite (SPD, Verts, Libéraux) qu’il dirige depuis près de trois ans – et les interminables querelles qui l’ont déchirée –, mais aussi son style peu avenant et sa difficulté à communiquer constituent de gros handicaps que ne contrebalancent pas son expérience du pouvoir, sa gestion de la guerre en Ukraine et son expertise dans le domaine économique et financier. Il fut le ministre des Finances d’Angela Merkel durant le quatrième et dernier mandat de la chancelière. (…)

Moins de 100 jours avant les élections anticipées, voilà donc la K-Frage, la question K comme Kanzler (chancelier), réglée. Jamais un candidat n’aura eu aussi peu de chances de l’emporter, et ce choix ne changera pas la donne : le chrétien-démocrate Friedrich Merz est bien parti pour remplacer Olaf Scholz à la chancellerie.

Le dernier sondage, publié hier par l’ARD, la première chaîne de télévision allemande, montre l’étendue du désastre pour le SPD. Si des élections avaient lieu demain, la CDU/CSU décrocherait 33 % des suffrages et confirme, semaine après semaine, sa première place. Le SPD et les Verts arriveraient au coude à coude avec 14 %, mais derrière l’AfD d’extrême droite, en deuxième position.

https://www.lepoint.fr/monde/le-chancelier-allemand-olaf-scholz-un-candidat-mal-aime-pour-des-legislatives-perilleuses-23-11-2024-2576093_24.php?at_variante=Community%20Management&at_creation=Twitter&at_campaign=Page%20Twitter%20Le%20Point&at_medium=Social%20Management


The Economist, Leader, 22 novembre, article payant      

Germany cannot afford to wait to relax its debt brake

It should move before the election

Extraits :

GERMAN POLITICIANS and economists have bickered over the country’s “debt brake” for years. So it was no surprise that a row over the rule, a constitutional provision that bars the federal government from running anything other than minuscule budget deficits, finished off Olaf Scholz’s despised “traffic-light” coalition earlier this month. The good news is that the consensus for easing the brake to allow more public investment in bridges, buildings and brigades is now stronger than ever. The bad news is that a quirk of Germany’s electoral system could stop reform in its tracks.

Germany’s early election, expected on February 23rd, is likely to see Mr Scholz, from the Social Democrats (spd), tossed out of the chancellery and replaced with Friedrich Merz, leader of the centre-right Christian Democrats (cdu) (…)

The debt brake was written into the constitution under Angela Merkel, the previous cdu chancellor, in 2009. But thanks in part to pressure from the party’s regional chiefs, the cdu is coming round to the need for reform. Germany’s stagnant economy, which in real terms has barely grown since before the pandemic, and the need to fund Ukraine and its own army, the Bundeswehr, have added to the pressure.

The Economist’s preference would be to do away with the debt brake entirely, but we accept that may be a step too far for many voters. Instead, a Chancellor Merz would probably agree to ease the debt brake after the election in exchange for concessions from his coalition partners, perhaps on welfare or on immigration, as part of the give and take of coalition talks in Germany. The trouble is that, because the debt brake sits inside the constitution, amendments to it need two-thirds majorities in both houses of parliament. And polls suggest that when Germany votes next year, enough small parties could fall below the 5% threshold needed to enter the Bundestag to bestow a blocking minority on a pair of fringe parties—the hard-right Alternative for Germany and the new “left-conservative” Sahra Wagenknecht Alliance. (…)

In the normal course of things, working out the details of such far-reaching changes would be left until after the election. Making legally sound distinctions between productive investments and government consumption is hard. In addition, legal appeals to Germany’s powerful constitutional court would be inevitable. Mr Merz seems minded to follow this logic, hoping to obtain as high a price as possible from his coalition partners after the election.

But the dangers of waiting are too great. Should the afd and the bsw achieve their blocking minority, Mr Merz may find himself leading a government that cannot tackle urgent problems, including Germany’s crumbling public sector and Ukraine, which could be vulnerable if it had been forced into a bad peace. In that case, the cash-strapped Mr Merz might end up being a one-term chancellor. For his own sake, as well as Germany’s and Europe’s, he should act now. ■

https://www.economist.com/leaders/2024/


-being-put-to-the-test-9e2703be?mod=hp_lista_pos2


Der Spiegel, 21 novembre, libre accès  

What would a-Chancellor Merz do differently ?

Extraits :

Rarely in German history has the situation at the beginning of a campaign been as clear as it is right now. The CDU and CSU (together known as the Union) are far ahead of the other parties, twice as strong as Scholz’s Social Democrats (SPD). Indeed, Scholz is so unpopular that hardly anyone in his own party has much confidence in his ability to make up the deficit in the three months before the snap election, which has been set for February 23. It seems almost as though it has already been decided.

Campaigns, of course, don’t usually go as predicted. (…)

Should he find success, he will inherit a deeply insecure country in which the political fringes, especially the right, are stronger than ever – a situation that has produced a strange mixture of irritability and despondency. The next chancellor must finally convince German voters that the country needs to do much more – spend far more – for their own defense. He or she must reestablish positive relationships with Germany’s most important partners in Europe, France above all. Irregular migration must be brought under control while at the same time making the country more attractive to foreign experts. The next chancellor will have to fix the country’s aging infrastructure, prepare the welfare state for the future, ensure energy supply, strengthen Germany’s status as a place of doing business. And more. And all of those tasks must be tackled in a world where authoritarian systems are expanding their power and liberal democracy is on the defensive. (…)

In the campaign, Merz will try to draw a clear distinction between the conservatives and the SPD, and to the Greens as well. In truth, however, his platform is reminiscent of the one that Gerhard Schröder rode to victory over incumbent Helmut Kohl in 1998. Schröder promised that he didn’t want to do everything differently, he just wanted to do a lot of things better.

https://www.spiegel.de/international/germany/germanys-new-elections-what-would-a-chancellor-merz-do-differently-a-12962697-685f-4067-b32c-465da1eb8332


L’Opinion, 19 novembre, tribune, article payant      

La CDU a en main l’avenir de l’Europe – par Hakim El Karoui

Dans un contexte de forte hausse des prix de l’énergie suite à la rupture de l’approvisionnement en gaz russe et de compression du marché chinois (en attendant la guerre commerciale sino-américaine), l’Europe est face à des choix stratégiques majeurs

Extraits :

L’élection de Donald Trump est, pour parler comme Stendhal, le « pistolet au milieu d’un concert » qui manquait pour réveiller l’Europe. A moins que ce ne soit le préalable à une fusillade mortelle qui enterrera définitivement le rêve européen, emporté par la décroissance et l’incertitude sur sa sécurité.

On connaît les termes du problème : l’Europe s’enfonce dans le cercle infernal de la perte de compétitivité, ses principaux leaders (Allemagne et France) sont affaiblis, l’attaque russe sur l’Ukraine est de plus en plus pressante et les Européens de plus en plus dépendants du soutien américain. (…)

Dans un contexte de forte hausse des prix de l’énergie après la rupture de l’approvisionnement en gaz russe et la compression du marché chinois (en attendant la guerre commerciale sino-américaine), l’Europe est face à des choix stratégiques majeurs.

Mais qui va prendre la décision ? Avec quelle dynamique ? Quels leaders ? Emmanuel Macron est affaibli par sa défaite politique de l’été et les impasses financières françaises. Olaf Scholz, lui, vient de congédier son ministre des Finances, Christian Lindner (…). La coalition a explosé. De nouvelles élections vont très probablement avoir lieu dans quelques mois, à la fin de l’hiver.

Dès lors, l’avenir de l’Europe repose sur les épaules d’une formation politique, la CDU, et d’un homme, Friedrich Merz, son leader. Pourquoi ? Parce que la CDU est largement favorite des prochaines élections allemandes. Alliée au SPD, aux Verts et aux libéraux, la CDU aurait la majorité au Bundestag. (…)

Il a dénoncé récemment « l’état de désolation » dans lequel se trouve la politique étrangère et de sécurité commune européenne. Il milite pour un renforcement de l’aide à l’Ukraine et la fin des tergiversations. Mais, avec quel argent et quel matériel si les Américains ne suivent pas ? Friedrich Merz n’aura probablement pas d’autres possibilités que d’inventer une nouvelle étape de la construction européenne. Avec une dette commune? Un programme de rigueur imposé aux mauvais élèves ? Un accord avec l’extrême droite pour amadouer Trump? Les prochains moins seront décisifs.

Associé au sein d’un cabinet international de conseil en stratégie, Hakim El Karoui est normalien et agrégé en géographie. Ancien conseiller de Matignon, fondateur du club XXIe siècle, il est l’auteur d’essais comme Réinventer l’Occident ou La lutte des classes d’âges.

https://www.lopinion.fr/international/la-cdu-a-en-main-lavenir-de-leurope-par-hakim-el-karoui


Kiev Post, 19 novembre, libre accès  

Eurotopics: Scholz Calls Putin – Europe’s Press Reacts

Europe’s commentators criticise the call and discusse it in connection with Scholz’s candidacy in the upcoming federal elections

Extraits:

For Jutarnji list (Croatia), Scholz’s call to the Kremlin was a disgraceful mistake:

“Why did Hungarian Prime Minister Viktor Orbán face a hail of criticism when he travelled to Moscow in July, but when the German chancellor calls the Kremlin that’s okay? Orbán and Scholz both did something that is forbidden – they spoke to a war criminal about Ukraine without Ukraine’s prior knowledge. … Scholz is a political corpse and without doubt the worst German chancellor since reunification. His predecessors Helmut Kohl, Gerhard Schröder and Angela Merkel were high-calibre statespeople, just like Konrad Adenauer and Willy Brandt in the distant past. Unlike theirs, his legacy is an economically and geopolitically weakened Germany.”

Europe has no use for a chancellor like this, Corriere della Sera (Italy) rails:

“Germany and, by extension, Europe, have wasted three years under the leadership of Olaf Scholz, a chancellor without merit who, after raising hopes with his famous ‘turning point‘ speech, tried to salvage what was left of an untenable model instead of reinventing it. Devoid of charisma and incapable of providing the leadership he had promised, Scholz has made an already dysfunctional coalition ungovernable. … In a strange game of mirrors, while Germany’s voice in Europe has been weakened and is now barely audible, France is also paralysed: by a brilliant but out-of-touch and adventurous president, and now by a government without a majority.”

https://www.kyivpost.com/post/42455


Frankfurter Allgemeine Zeitung, opinion, 19 novembre, article payant        

Herr von Humboldt und die Bundestagswahl

Am 23. Februar entscheiden die Bürger, wer sie künftig regieren soll. Zur Auswahl stehen zwei fundamental unterschiedliche Vorstellungen von Staat und Gesellschaft. Warum es sich lohnt, Herrn von Humboldt zurate zu ziehen.

Extraits :

In der wirtschaftspolitischen Debatte Deutschlands stehen sich aktuell zwei unterschiedliche Denkrichtungen gegenüber. Auf der einen Seite gibt es die Hoffnung auf eine Industriepolitik durch staatliche Feinsteuerung über kreditfinanzierte Subventionen und selektiv ausgewählte Regulierungen. Auf der anderen Seite wird eine marktbasierte, diskriminierungsfreie und somit technologieoffene Angebotspolitik durch eine umfassende Verbesserung des Ordnungsrahmens gehandelt. Einmal geht es um direkte Wirtschaftseingriffe etwa zur Stärkung einzelner sogenannter Schlüsselindustrien (Auto, Zulieferer, Chip) als Reaktion auf eine geopolitisch veränderte globale Ökonomie. Das andere Mal geht es um die Schaffung optimaler Wettbewerbsbedingungen für alle, nicht nur für ausgewählte Firmen.

So ungefähr steht es auf Seite fünf in Christian Lindners auch nach dessen Rausschmiss aus dem Kabinett sehr lesenswertem Scheidungspapier „Wirtschaftswende Deutschland“. Die Beschreibung der Alternative ist zutreffend; der Bürger hat bei der bevorstehenden Bundestagswahl eine echte Wahl. Solche Klarheit gab es in den Merkel-Jahren nicht. Insofern ist diese Wahl ein Glücksfall, nicht nur, weil es höchste Zeit war, die Ampel abzuschalten.

„Aktive Industriepolitik“ gilt als modern, „Ordnungspolitik“, „Angebotspolitik“, „Soziale Marktwirtschaft“ gelten als altmodisch und den heutigen Gefahren und Herausforderungen (Trump, China, Klima) nicht gewachsen. Weil Industriepolitik teuer ist, stört die Schuldenbremse, argumentiert etwa der grüne Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck. In den Augen von Grünen und SPD ist sie nichts anderes als ein Dogma der Ewiggestrigen in der FDP (und Teilen der Union). Dass das Verschuldungsverbot vom Grundgesetz vorgeschrieben wird, unterschlagen die „Modernisierer“ dabei. (…)

Grün und Rot wollen aktive Industriepolitik; Liberale und Union wollen Angebotspolitik. Die anderen Parteien lassen wir außen vor. Wenn es gut geht, entscheiden die Bürger am 23. Februar zwischen einer konservativ-liberalen und einer rot-grünen Koalition. Im Kern geht es dabei um zwei fundamental unterschiedliche Vorstellungen vom Staat und dessen Verhältnis zu Markt und Gesellschaft. Wie viel Steuerungskompetenz und Bürgerwohltätigkeit soll und kann sich der Staat zutrauen?

In diesen Wahlkampf-Wochen gibt es die Chance, den ein oder anderen Klassiker zurate zu ziehen. (…) Heute bringe ich Wilhelm von Humboldts 1792 erschienene „Ideen zu einem Versuch, die Gränzen [sic!] der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen“ in die Debatte. Anders als Nozick schlägt Humboldt nicht der Vorwurf des kalten Neoliberalisten und Turbokapitalisten entgegen. Wilhelm und sein Bruder Alexander sind Nationalheilige, die die deutschen Werte eines neuhumanistischen Bildungsideals verkörpern.

Lange vor der Erfindung des umverteilenden Sozialstaats, aber im Angesicht eines sich am Glück der Untertanen orientierenden aufgeklärten Wohlfahrts- und Fürsorgestaates interessiert Humboldt die Frage, „ob der Staat auch den positiven Wohlstand der Nation oder bloß ihre Sicherheit abzwecken soll“. Wenn man so will, standen sich auch damals schon interventionierende Sozialpaternalisten und nüchterne Ordnungspolitiker gegenüber, die die Aufgaben des Staates auf die Garantie der Rahmenbedingungen für Bürger und Unternehmer beschränken wollten.

Humboldt schlägt sich auf die Seite der Ordnungspolitik. Ein Staat, der sich anmaße, in die Wohlfahrt seiner Bürger einzugreifen (selbstredend nur zu deren Bestem), müsse zwingend eine Beschränkung der Freiheit dieser Bürger in Kauf nehmen. Der Schaden, den dieser Eingriff anrichtet, sei allemal gravierender als der mögliche Nutzen staatlich gesteigerten bürgerlichen Glücksempfindens für Unternehmen und Gesellschaft.

Humboldts zentraler Satz lautet: „Der Staat enthalte sich aller Sorgfalt für den positiven Wohlstand der Bürger und gehe keinen Schritt weiter als zu ihrer Sicherstellung gegen sich selbst und gegen auswärtige Feinde notwendig ist; zu keinem anderen Endzweck beschränke er ihre Freiheit.“ (…)

Wo der Staat das Soziale monopolisiert, werden die Menschen untereinander „zu gegenseitiger Hilfsleistung träger“. Mit anderen Worten: Der umverteilende oder mit Schulden finanzierte Staat macht die Menschen weniger solidarisch. Wenn meine Konkurrenten Subventionen bekommen, mein Unternehmen aber nicht, werde ich entweder resignieren oder, was wahrscheinlicher ist, mich ebenfalls in den Wettlauf um Staatsknete einreihen.

Übersetzen wir Humboldts Sprache des deutschen Idealismus in die Sprache des deutschen Wahlkampfes, dann folgt aus seinem Staatsbuch: Priorität für das Handeln des Staats hat die äußere und innere Sicherheit. (…)

Wenn Sicherheit teurer wird, kann nicht gleichzeitig auch das Soziale (Bürgergeld, Rente, Pflege) teurer werden. Hier bewährt sich die disziplinierende Wirkung der Schuldenbremse. Es geht nicht um einen Abbau des Sozialstaats, wie die SPD erzählt. Es reicht schon, ihn nicht ständig weiter auszubauen, würde Wilhelm von Humboldt heute konzedieren, großzügig seinen aufgeklärten Radikalismus von damals relativierend.

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/hanks-welt/hanks-welt-bundestagswahl-2025-aus-sicht-von-wilhelm-von-humboldt-110113704.html?premium=0xe4dc0d054f55c3c0a7823d56efd2970c2eab69213e2a99eb5108a3f5db484c35


The Economist, 15 novembre, article payant      

Kanzlerdämmerung : The sun begins to set on Olaf Scholz’s chancellorship

The contours of Germany’s coming election campaign are coming into view

Extraits :

IN MOST DEMOCRACIES a “snap” election might be expected a few weeks hence. In Germany, it will take three and a half months. Party lists must be drawn up, ballot papers printed, municipalities and volunteers mobilised. Moving any quicker, the chief elections officer has warned, would present “incalculable risks”. Yet measured against the usual tempo of change in Germany, political events have developed at a blistering pace.

On November 6th long-bubbling rows in Germany’s three-party coalition finally boiled over, when Olaf Scholz, the Social Democrat (spd) chancellor, fired Christian Lindner, his finance minister, leader of the liberal Free Democrats (fdp), in a spat over economic and fiscal policy. That evening, after eviscerating Mr Lindner as an “egotist”, Mr Scholz proposed subjecting himself to a confidence vote in January, and bringing forward an election scheduled for next September to late March.

But Mr Scholz’s plainly risible suggestion did not withstand intense pressure from the opposition centre-right Christian Democrats (cdu) and others; and after six days he bowed to the inevitable. The confidence vote, the first in two decades and only the sixth in post-war German history, will now take place on December 16th. As the head of what is now a minority government with the Greens, Mr Scholz will expect to lose it. That will set the stage for Germany’s president to dissolve parliament and call elections, now planned for February 23rd. The cdu may help pass a handful of laws in the meantime, says Kai Whittaker, one of its mps. (…)

The cdu and the Christian Social Union (csu), its Bavarian ally, are leading opinion polls with around 33%, a little over the combined score of the three parties of the late coalition. Depending on the election outcome, and in particular on whether the fdp secures the 5% needed to retain a presence in the Bundestag, the conservatives should have their pick of coalition partners. (Some in their ranks quietly wonder if an unprecedented outright majority is within reach.) Mr Merz himself has not won over German voters, but in head-to-head match-ups is well ahead of his deeply unpopular rival. Barring a huge surprise, he will ensure that Mr Scholz becomes one of the shortest-serving chancellors in Germany’s democratic history (see chart). (…)

Earlier the same day, Mr Merz, whose party led the effort to create the debt brake 15 years ago, offered his clearest hint yet that he would be open to reforming it, so long as doing so enabled investment rather than extra social spending. That looked like a signal to the spd and Greens, at least one of which is likely to rule in coalition with the cdu/csu, of how to prepare for post-election governing negotiations. If so, it is to be welcomed.

Yet there are also reasons to doubt that the coming campaign will squarely counter the serious challenges confronting Germany. In parliament, neither Mr Scholz nor Mr Merz had much to say about the threat posed to German prosperity and foreign policy by the return of Donald Trump, beyond 2016-era waffle about ensuring that Europe does more for its own security. It was left to the Bundesbank to warn that Mr Trump’s threatened tariffs could knock a full percentage point off German gdp. Is Germany ready for that?

https://www.economist.com/europe/2024/11/14/the-sun-begins-to-set-on-olaf-scholzs-chancellorship


Wall Street Journal, Opinion, 15 novembre, article payant      


Germany’s Government Gets Mugged by Climate-Change Reality

It all started with a 2023 court decision that made Berlin treat green policy like any other issue.

Extraits :

In case you missed it—there’s been some other big news the past week—at the same time the U.S. was electing a new administration, Germany was losing its old one. The awkward three-party coalition that has governed in Berlin since December 2021 collapsed on Nov. 6 in a paroxysm of policy sparring and political recriminations over climate policy. Chancellor Olaf Scholz announced this week he plans to call an early election for February, which he’s widely expected to lose.

This fulfills, albeit later than expected, a prophecy voiced in this column a year ago. Germany’s highest constitutional court ruled in November 2023 that the government’s climate spending must be paid for on the government balance sheet, rather than via off-balance-sheet borrowing as Berlin had intended. At a stroke green subsidies became subject to Germany’s version of a balanced-budget amendment. Henceforth if the government wanted to fund the green transition, it would need to raise new revenue or find offsetting spending cuts elsewhere.

The net effect of this ruling was to make climate change like any other political issue, which is to say one of fiscal trade-offs. Choosing between competing priorities is the essence of governing—at least if your country doesn’t issue the world’s reserve currency. Mr. Scholz’s administration couldn’t survive this new political pressure because its constituent parts were singularly ill-suited to performing this task in concert. (…)

Mr. Scholz’s Social Democratic Party (SPD) is internally divided on climate issues between its labor-union base and its upper-income urban wing. The Green Party, the other large coalition partner, has little to offer the electorate other than its commitment to fighting climate change no matter the cost, a project it describes in messianic terms. The coalition’s junior partner, the free-market Free Democratic Party (FDP), is sympathetic to the Greens’ good-governance ethos, but hostile to the antibusiness implications of net zero and the massive fiscal transfers required to offset those effects. (…)

It’s now impossible to avoid awkward questions about what Germany must really pay to achieve net zero and whether the benefits of doing so are really worth the cost. The end of Mr. Scholz’s administration finally came when he fired Finance Minister Christian Lindner, leader of the FDP, for crystallizing these arguments for the public. Mr. Lindner published a paper arguing the meager global benefits of decarbonizing Germany aren’t worth the fiscal and economic harms, and that Berlin should ditch net zero in all but name and pursue economic-growth policies instead. (…)

What’s collapsing here—aside from a German coalition—is the political method of net zero. That method, devised by activists and evangelized by political, business and media converts, was to shift the issue out of the political realm and into an otherworldly space where stopping climate change became a religious mission for moral redemption. But governments deliver budgets, not salvation. And when it comes to budgets, politics always wins.

https://www.wsj.com/opinion/germany-gets-mugged-by-climate-reality-coalition-collapse-began-with-2023-court-decision-d8b5210a?mod=hp_opin_pos_2#cxrecs_s


Le Grand Continent, 12 novembre, libre accès         

« La situation est grave » : Scholz expose la crise politique en Allemagne

La coalition « feu tricolore » est tombée. Dans un discours d’une brutalité à l’opposé de son style politique, Scholz a défendu le bilan des trois ans de gouvernement SPD-Verts-FDP et attaqué frontalement Christian Lindner, limogé quelques heures plus tôt de son poste de ministre des Finances. Pour comprendre où va l’Allemagne alors que le pays s’apprête à entrer dans une campagne hivernale, il faut partir de cette traduction inédite et du commentaire ligne à ligne que nous proposons d’un discours historique — sans doute le moins « scholzien » d’Olaf Scholz.

https://legrandcontinent.eu/fr/2024/11/07/lallemagne-en-crise-gouvernementale-le-discours-de-scholz/


Le Figaro, 8 novembre, article payant

La coalition d’Olaf Scholz entraîne dans sa chute le couple franco-allemand

DÉCRYPTAGE – Le départ du FDP de la coalition au pouvoir à Berlin clarifie la ligne allemande à Bruxelles, mais fragilise les relations avec Paris.

Extraits :

Ce devait être son premier voyage à Berlin, mais la crise politique allemande en a décidé autrement : le ministre français des Finances, Antoine Armand, a été contraint de renoncer à sa visite, initialement programmée vendredi, auprès de son homologue Christian Lindner. Ce dernier a été démissionné la veille avec fracas par le chancelier Olaf Scholz, qui l’a accusé d’« égoïsme ».

Dans un surprenant jeu de miroirs avec l’Hexagone, le chef du parti libéral, se voyait reprocher son refus de laisser filer la dette pour financer l’industrie et accroître la sécurité du pays. Les deux ministres devaient parler de « simplification administrative » et du projet de réforme du marché européen de capitaux, jugé essentiel au financement de la croissance du continent. Exit ces discussions.

Ce contretemps diplomatique est loin d’être anecdotique. La crise politique allemande atteint la première économie de l’UE, dont le modèle industriel vacille, et qui est remis en cause par les tentations protectionnistes de Trump. Elle fragilise également un pays censé incarner la stabilité démocratique dans un continent gagné de longue date par les forces centrifuges. (…)

Trois jours avant Antoine Armand, le ministre français délégué à l’Industrie, Marc Ferracci, avait plaidé devant un auditoire allemand impuissant, en faveur d’une révision du plan européen de réduction des émissions automobiles de CO2. Berlin se retrouve impuissant à définir une ligne nationale pour le secteur phare de son économie. La visite de Marc Ferracci s’inscrivait dans une séquence de relance des relations franco-allemandes, par le gouvernement Barnier. Ce plan est désormais compromis. (…)

Principal bénéficiaire, dans l’immédiat, de la crise politique, la CDU pourrait rapidement se profiler sur le terrain diplomatique. Friedrich Merz, favori des sondages en cas d’élections, partage avec Emmanuel Macron de nombreuses orientations doctrinales et Michel Barnier fait partie de son camp. Aujourd’hui, malgré les pressions de la morale politique allemande et l’urgence diplomatique, le dirigeant conservateur refuse de conclure un compromis transitoire avec le gouvernement Scholz.

https://www.lefigaro.fr/international/la-coalition-d-olaf-scholz-entraine-dans-sa-chute-le-couple-franco-allemand-20241107


Eurotopics, Revue de presse européenne, 9 novembre, libre accès  

German government collapses: what’s going on?

After the collapse of the traffic light coalition between the the Social Democrats (SPD), Liberals (FDP) and Greens, Germany seems to be heading for new elections. Chancellor Olaf Scholz wants to wait until January to call a vote of confidence and put other important decisions to parliament in the meantime, but opposition leader Friedrich Merz (CDU) is pushing for elections as soon as possible. Europe’s press looks on in concern, but also sees opportunities.

https://www.eurotopics.net/en/?pk_campaign=et2024-11-08-en&pk_kwd=logo


Neue Zürcher Zeitung, 8 novembre, article payant     

Das Ultimatum des Kanzlers: elf Seiten für den Koalitionsbruch

Die Milliardenforderungen von Olaf Scholz für die Ukraine und die kriselnde Wirtschaft liessen Christian Lindner nur die Wahl zwischen Verfassungsbruch und Koalitionsende. Der FDP-Chef wählte Letzteres.

Extraits :

Elf Seiten umfasst das Dokument, das Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwochnachmittag, kurz nach der wöchentlichen Kabinettssitzung, seinem Finanzminister Christian Lindner vorlegt. Der Inhalt: Steuererleichterungen für die Unternehmen, Energiekostenzuschüsse für die Industrie. Und auch weitere Militärhilfen für die Ukraine.

Viel Zeit bleibt dem FDP-Politiker nicht, um das Schriftstück mit seinen Beratern zu prüfen. Schon wenig später ist das nächste Treffen mit dem Kanzler angesetzt, diesmal im Koalitionsausschuss. Scholz drängt Lindner dort am frühen Abend zu einem Bekenntnis. Er will wissen, ob der FDP-Chef bereit sei, «den Weg mitzugehen», den der Kanzler in seinem Papier skizziert hat.

Spätestens jetzt dämmert es den FDP-Verhandlern: Was vor ihnen auf dem Tisch liegt, ist keine Wunschliste, sondern ein Ultimatum. Es ist ein Massnahmenkatalog, den es umzusetzen gilt, koste es, was es wolle: In Zeiten der Not sei Handeln nicht nur Recht, sondern auch Pflicht der Bundesregierung, wird Scholz später am Abend vor laufender Kamera erklären. (…)

Tatsächlich steht Scholz’ Massnahmenpaket rechtlich auf wackeligen Beinen. «Ein grosser Gemischtwarenladen» – so charakterisiert der Verfassungsrechtler Hanno Kube von der Universität Freiburg das «Ampel»-Paket. Von Netzentgeltsubventionen in Milliardenhöhe über Steuergeschenke an die Wirtschaft bis hin zu weiteren Ukraine-Hilfen reiche die Palette.

Dabei stellt der Experte vor allem die von der Bundesregierung bemühte «Notlage» als Begründung für neue Kredite infrage. «Einen exogenen Schock sehe ich gegenwärtig nicht», erklärt Kube im Gespräch mit der NZZ. Die Voraussetzungen für eine Notlagen-Kreditaufnahme seien damit nicht erfüllt.

Seine Begründung: Sowohl der Mittelbedarf für Bundeswehr und Ukraine-Hilfe als auch die Notwendigkeit wirtschaftlicher Impulse seien «seit Jahren bekannt». Der Jurist kommt zu folgendem Schluss: «Nur weil jetzt das Geld für eine weitere Ausdehnung der Staatstätigkeit nicht ausreicht, kann kein Notlagenbeschluss gefasst werden.»

Der Ökonom Stefan Kooths zweifelt zudem an der Sinnhaftigkeit der wirtschaftlichen Massnahmen. Statt die Ursachen der Energiekrise anzupacken, habe Scholz mit seinen Milliardensubventionen nur die Symptome verschleiert. Mit ermässigten Netzentgelten und ausgeweiteter Strompreiskompensation werde ein «dauerhafter Subventionstatbestand» geschaffen. «Der Standort wird in Summe nicht gestärkt, da die erforderlichen Mittel an anderer Stelle fehlen», mahnt Kooths.

Die Bundesregierung verkenne zudem die wahren Kostentreiber komplett. Die hohen Netzentgelte seien direktes Ergebnis einer Politik, die auf eine Stromversorgung hauptsächlich durch schwankungsanfällige Erneuerbare setze. Die Koalitionshoffnung auf sinkende Energiekosten durch die Öko-Wende entlarvt Kooths als Illusion: Dies gelte «nur für die variablen Erzeugungskosten, nicht für die systemischen Kosten». (…)

https://www.nzz.ch/international/das-ultimatum-des-kanzlers-elf-seiten-fuer-den-koalitionsbruch-ld.1856445


The Economist, 8 novembre, article payant      

The exploding traffic light : Germany’s fractious coalition falls apart—and how!

Olaf Scholz finally runs out of patience with Christian Lindner

Extraits :

EARLY IN THE morning of November 6th, as Europe digested the result of America’s presidential election, three senior figures in Germany’s government were huddling for crisis talks in Berlin. But Olaf Scholz, the chancellor, Robert Habeck, the vice-chancellor, and Christian Lindner, the finance minister, were not sketching a response to Donald Trump’s promised tariffs, or working out how Germany might compensate for a loss of American support to Ukraine. Instead, they were deciding whether to blow up their fraying coalition.

Barely 12 hours later, it was all over—and how. In a blistering speech delivered after last-ditch coalition talks fell apart Mr Scholz, from the Social Democrats (spd), eviscerated Mr Lindner, head of the pro-business Free Democrats (fdp), for his “completely incomprehensible egotism” and for “breaking my trust”. He fired Mr Lindner, announced a parliamentary vote of confidence in January, and said he expected that an election that had been due next September would be brought forward to March. Thus does one of the most unpopular governments in modern German history reach its ignoble end.

The three parties in the “traffic-light” coalition, which took office in 2021 promising to modernise the country, long ago ran out of patience with each other. But the proximate cause for the collapse was a set of demands for changes to tax, social and climate policy issued by Mr Lindner at the end of last week. Economists welcomed some of them; Germany’s stagnant economy desperately needs a reboot. But Mr Lindner, whose party was the smallest of the trio, will have known that his proposals were impossible for the spd and Mr Habeck’s Greens. His paper looked like a pretext to quit the government. In response Mr Scholz sought a compromise that would have obliged Mr Lindner to agree to a suspension of Germany’s deficit-limiting “debt brake”—a red line for the fdp—in part to enable more support for Ukraine. When his minister balked, Mr Scholz pushed him before he jumped. (…)

ew will mourn the end of Mr Scholz’s unloved coalition. Yet the chancellor’s move raises at least as many questions as it answers. Chief among them is how Germany will pass a budget for 2025. With a financing gap of around €8bn-9bn ($8.6-9.7bn) to plug, it was already unclear how the Bundestag would meet its deadline of November 14th. Now, without a functioning majority, Mr Scholz may have to strike a deal with the opposition Christian Democrats (cdu). Mr Scholz said he also hoped to work with the cdu to pass other measures, including on pensions and migration, before the Christmas break.

Yet Friedrich Merz, head of the cdu, does not want to dance to Mr Scholz’s tune. The morning after the coalition’s collapse he said the confidence vote should be brought forward to next week. (…)

Yet as time went by the government proved incapable of marshalling a proper response to Germany’s economic rot. The debt brake began to bite as revenues fell and spending pressures mounted, rendering unbearable the ideological differences between the fdp and its progressive partners. The traffic-light coalition was the first casualty of a political fragmentation in Germany that has made the business of forming coherent coalitions devilishly difficult. It may not be the last. ■

https://www.economist.com/europe/2024/11/07/germanys-fractious-coalition-falls-apart-and-how


L’Opinion, 7 novembre, libre accès  

Allemagne: Olaf Scholz limoge son ministre des Finances, des élections anticipées en perspective

Le chancelier allemand a remercié, mercredi 6 novembre, Christian Lindner, par ailleurs chef de file du Parti libéral-démocrate (FDP), ce qui a entraîné le départ du gouvernement de tous les ministres du même parti

https://www.lopinion.fr/politique/allemagne-olaf-scholz-limoge-son-ministre-des-finances-des-elections-anticipees-en-perspective


Le Point, 8 novembre, article payant    

En Allemagne, la coalition gouvernementale enterrée dans la douleur

Excédé par des mois de querelles avec son ministre des Finances libéral, Christian Lindner, le chancelier Scholz a décidé de donner le coup de grâce à « la coalition feu tricolore », à l’agonie depuis des mois.

Extraits :

La situation n’était plus tenable. Olaf Scholz a décidé de mettre fin à une coalition à bout de forces, épuisée par les querelles et les dissensions qui la discréditent depuis des mois. Le chancelier social-démocrate a annoncé hier dans la soirée qu’il ne souhaitait plus travailler avec son ministre des Finances, le chef du parti libéral Christian Lindner, et qu’il mettait fin à cette collaboration. Trois autres ministres libéraux partiront avec lui. Le gouvernement se retrouve en minorité au Bundestag, le parlement allemand.

Une annonce à laquelle on s’attendait depuis quelque temps à Berlin, mais qui a tout de même fait l’effet d’une bombe quelques heures après la victoire de Donald Trump. De nombreux analystes pensaient qu’Olaf Scholz allait retarder cette rupture annoncée pour ne pas fragiliser le pays alors que les cartes viennent d’être rebattues outre-Atlantique et que l’Europe a plus que jamais besoin d’une Allemagne forte et capable de prendre des décisions. Les chaînes de télévision ont été obligées d’interrompre en toute hâte leurs émissions spéciales consacrées à l’analyse du vote américain pour diriger leurs caméras vers la chancellerie.

Olaf Scholz, le visage grave, a assuré à ses concitoyens qu’il aurait préféré leur épargner un tel bouleversement par les temps qui courent. L’Allemagne, particulièrement dépendante des États-Unis en matière de sécurité et économiquement, risque d’être très affectée par le retour de Donald Trump à la Maison-Blanche. Sortant de sa légendaire réserve, Olaf Scholz, visiblement très en colère, n’a pas mâché ses mots vis-à-vis de son ministre des Finances, dont il dénonce le manque de loyauté, la volonté de bloquer systématiquement pour des motifs idéologiques les propositions de ses partenaires (…).

Des mots très durs auxquels Christian Lindner n’a pas tardé à répondre avec tout autant de virulence, accusant le chancelier de manquer d’ambition et de poigne : « Olaf Scholz a malheureusement démontré qu’il n’a pas la force de mener notre pays vers un nouveau départ. » (…) Christian Lindner affirme qu’Olaf Scholz l’a placé hier soir face à un ultimatum : soit vous acceptez de desserrer le frein à la dette, soit vous partez.

Le frein à la dette inscrit dans la Constitution est au cœur des divergences entre SPD et Verts, d’une part, et libéraux, de l’autre. Alors que l’économie allemande est en crise et qu’avec la victoire de Donald Trump le budget de la défense va devoir être renfloué pour soutenir l’Ukraine et mettre à flot la Bundeswehr, l’armée allemande, les divergences idéologiques entre les deux camps sont de plus en plus éclatantes. Le SPD et les Verts plaidant pour davantage de souplesse pour pouvoir procéder, si nécessaire, à des investissements, le FDP défendant bec et ongles la rigueur budgétaire. Le document exigeant des baisses d’impôts et des mesures pour protéger les entreprises que Christian Lindner a fait paraître la semaine dernière sans consulter ses partenaires a précipité ce divorce attendu.

Olaf Scholz a donc choisi une solution radicale, selon le vieil adage allemand : mieux vaut une fin dans la douleur qu’une douleur sans fin. Il a annoncé qu’il soumettrait un vote de confiance au Parlement le 15 janvier. Des élections anticipées devraient avoir lieu au plus tard à la fin du mois de mars (au lieu du 28 septembre 2025), 60 jours après la dissolution, comme le veut la Constitution. (…)

https://www.lepoint.fr/monde/en-allemagne-la-coalition-gouvernementale-enterree-dans-la-douleur-07-11-2024-2574658_24.php#xtmc=lindner&xtnp=1&xtcr=1


Capital, 8 novembre, article payant

Ökonomen zum Ampel-Aus„Die Wirtschaft braucht so schnell wie möglich Neuwahlen“

Deutschlands Wirtschaft könne nicht bis zu Neuwahlen warten, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz. Ökonomen wie Ifo-Präsident Fuest widersprechen: Das Gegenteil sei richtig

Extraits :

(…) „Neuwahlen zu verzögern, um Einzelmaßnahmen noch durchs Parlament zu bringen, schädigt die Wirtschaftsentwicklung, weil die Phase der Unsicherheit verlängert wird“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest zu Capital. „Deshalb braucht die Wirtschaft so schnell wie möglich Neuwahlen.“ (…)

Schuldenbremse wird zum Wahlkampfthema

Das Thema Schuldenbremse wird daher aber unweigerlich den Wahlkampf bestimmen, meinen die Ökonomen. Ob und wie sinnvoll die aktuellen Regeln sind, darüber wird in der Szene leidenschaftlich gestritten. Ordoliberale Ökonomen wie Lindner-Berater Lars Feld wollen an ihr festhalten, die meisten, darunter auch die Ökonomen vom Wirtschaftssachverständigenrat, plädieren für umfassende Reformen der starren Regeln, und vor allem progressive Ökonomen würden sie am liebsten ganz abschaffen. 

„Ich halte einen wirtschaftspolitischen Durchbruch mit der aktuellen Schuldenbremse für unmöglich“, sagte ING-Volkswirt Brzeski. Man müsse zwar nicht die Schuldenbremse abschaffen – auch Sondertöpfe und Reformen seien möglich – aber klar sei, so Brzeski: „Die lange Liste an notwendigen Reformen und Investitionsvorhaben kann ich nur durchsetzen, wenn ich an der Schuldenbremse rüttele.“ Selbst die von Christian Lindner vorgelegten Pläne hätten nach Meinung Brzeskis wohl ein Aussetzen der Schuldenbremse notwendig gemacht. Auch wenn Lindner das selbst anders bewertet. (…)

Viele Ökonomen zeigen indes Sympathie für die Vorschläge Lindners. Diese sahen zum Beispiel Kürzungen beim Bürgergeld, Bürokratieabbau und Steuersenkungen vor. „Der Fehler von Christian Lindner besteht nicht darin, das Forderungspaper vorgelegt zu haben. Der Fehler von Christian Lindner besteht darin, dieses Papier nicht bereits im Sommer 2023 vorgelegt zu haben. Aber besser spät als nie“, sagte Flossbach-von-Storch-Experte Tofall. Und auch Brzeski hält die Forderungen grundsätzlich für richtig. „Das Papier enthält viele gute Elemente. Das Problem sind die rigiden Staatsfinanzen.“ (…)

https://www.capital.de/wirtschaft-politik/lindner—scholz–oekonomen-sprechen-sich-fuer-schnelle-neuwahlen-aus-35207438.html


The Guardian, 8 novembre, libre accès  

German government collapses after Olaf Scholz sacks finance minister

Unexpected move throws Europe’s largest economy into political disarray and is likely to lead to snap elections in March

https://www.theguardian.com/world/2024/nov/06/german-government-on-brink-of-collapse-after-olaf-scholz-sacks-finance-minister


Wirtschaftswoche, 8 novembre, article payant

„Ich habe die Folgen des Energieeffizienzgesetzes durchgerechnet. Das Ergebnis ist erschreckend“

Wo könnte es Kompromisse geben zwischen Lindners Forderungen und Habecks Agenda? Top-Ökonom Clemens Fuest über vernünftige Vorschläge – und absurde Ideen.

Extraits :

(…) Das sogenannte Energieeffizienzgesetz ist ein Energieverbrauchsdeckelungsgesetz. Das ist absurd. Denn es gibt keinen Grund, den Energieverbrauch zu senken, unabhängig davon, ob Energie aus erneuerbaren Quellen ist oder nicht. Ich habe die Folgen einmal durchgerechnet. Das Ergebnis ist erschreckend.

Das Energieeffizienzgesetz verlangt bis 2030 eine Senkung des Energieverbrauches um rund 22 Prozent bis 2030. Damit es trotzdem normales Wirtschaftswachstum geben kann, müsste sich das jährliche Wachstum der Energieeffizienz ungefähr verdreifachen. Das ist unrealistisch. Das Gesetz ist damit ein Wachstumskiller. 

Es ist nicht einzusehen, warum da nicht differenziert wird zwischen grüner und nicht grüner Energie. Wir wissen genau, dass viele Zukunftstechnologien, etwa die Künstliche Intelligenz, extrem energieintensiv sind. Warum soll man dafür nicht mehr, aber eben saubere Energien verwenden? Das ist Gesetzgebung, die kontraproduktiv ist, wenn wir auf den Zukunftsmärkten künftig noch eine Rolle spielen wollen. 

Lindner fordert auch deshalb, dass Deutschland nicht der Musterschüler sein soll: es würde reichen, wenn Deutschland wie der Rest der EU erst 2050 Klimaneutral ist – und nicht schon 2045. Ist die Verschiebung aus Ihrer Sicht ebenfalls sinnvoll?
Ja, dafür spricht viel, denn für die gesamteuropäischen Klimaemissionen ist ja überhaupt nichts gewonnen, wenn wir schon 2045 klimaneutral sind. Wir ermöglichen anderen Ländern damit nur, über das EU-Emissionshandelssystem, das Emissions Trading System ETS, mehr Treibhausgase zu emittieren. Eine strikte Europäisierung der Klimapolitik wäre gut – was aber voraussetzt, dass die Bereiche Verkehr und Gebäude mit ins Emmissionshandelssystem aufgenommen werden, und zwar ohne Deckelung des CO2-Preises. Man muss betonen: Das ist schon voraussetzungsreich. (…)

https://www.wiwo.de/politik/deutschland/zerbricht-die-ampel-koalition-ich-habe-die-folgen-des-energieeffizienzgesetzes-durchgerechnet-das-ergebnis-ist-erschreckend/30071224.html


Neue Zürcher Zeitung, 7 novembre, article payant     

Ein guter Tag für Deutschland: Das Elend der «Ampel» ist endlich zu Ende – Un bon jour pour l’Allemagne : La misère de la « coalition feu tricolore » est enfin terminée.

Der deutsche Kanzler wirft den liberalen Finanzminister aus der Regierung und stellt ihn als Hallodri dar. Seine Rede ist eine einzige Realitätsverweigerung.

Extraits :

Olaf Scholz bleibt sich auch im Niedergang treu. Während der Kanzler den liberalen Finanzminister Christian Lindner am Mittwochabend bei seiner Pressekonferenz in Berlin als kleinkarierten und vertrauensunwürdigen Taktierer beschimpft und aus der Regierung wirft, klopft er sich selbst auf die Schultern. Es ist ein befremdliches Schauspiel. Zum Glück ist es bald vorbei.

Die irreguläre Migration nach Deutschland? Habe die Regierung unter seiner Führung stark verringert, sagt Scholz. Energiesicherheit und Klimaschutz? Seien auf Kurs. Renten und Löhne? Gestiegen. «Deutschland ist ein starkes Land», behauptet Scholz. Es ist nicht die einzige kolossale Fehleinschätzung dieses Abends.

In Wahrheit ist Deutschland schon lange kein starkes Land mehr. Es ist eine von der Deindustrialisierung bedrohte Nation, deren Unternehmen unter einer enormen Steuerlast, viel zu hohen Energiekosten und einer aberwitzigen Bürokratie leiden. Die innere Sicherheit ist durch die nach wie vor weitgehend ungeregelte Massen- und Armutsmigration erodiert. Deutschlands Schulen werden in internationalen Vergleichen nach unten durchgereicht. Und die notorisch unpünktliche Bahn, die kaputten Brücken und die fehlenden Stromleitungen sind zum Schämen. Fast jeder weiss das. Nur der Kanzler biegt sich die Realität zurecht, auch jetzt noch. (…)

Die zweite Fehleinschätzung von Scholz steckt in seiner Warnung vor amerikanischen Zuständen. Die USA seien ein zerrissenes Land, wo politische Unterschiede Freundschaften und Familien zerstört hätten. «Das darf uns in Deutschland nicht passieren», mahnt der Kanzler nun und beweist damit ein weiteres Mal seine Fähigkeit, die Realität im eigenen Land auszublenden.

Deutschland ist längst ein zerrissenes Land, und auch daran haben Scholz und seine Partei kräftig mitgewirkt: einmal durch die «Willkommenskultur», auf die sie in der SPD heute immer noch stolz sind. Und einmal durch den Hang, jeden Kritiker daran als Rassisten, Rechtsradikalen oder Nazi auszugrenzen. Das zentrale Ergebnis dieser Politik war der Aufstieg der AfD. Die Rechtsradikalen sind im Osten des Landes heute – leider – das, was die SPD unter Scholz nicht mehr ist und vermutlich nie wieder sein wird: eine Volkspartei. Und ihr feindseliger Blick auf die etablierten Parteien ist auch eine Folge jener Ausgrenzung, die Politiker wie Scholz seit Jahren betreiben. (…)

Der erste deutsche Kanzler Konrad Adenauer hat die Westbindung gegen massive Widerstände durchgesetzt. Gleiches gilt für Helmut Kohl und die Wiedervereinigung oder Gerhard Schröder und seine Wirtschafts- und Sozialreformen zum Beginn dieses Jahrtausends. Sie alle waren Staatsmänner, die sich um ihr Land verdient gemacht haben, indem sie kompromisslos waren, als es darauf ankam. Olaf Scholz gehört nicht in diese Reihe. Er ist ein Beamter, der sich ins Kanzleramt verlaufen hat.

Gut, dass er bald gehen muss.

https://www.nzz.ch/meinung/ein-guter-tag-fuer-deutschland-endlich-sind-scholz-und-seine-ampel-am-ende-ld.1856369


The Economist, 24 octobre, article payant

The disrupter-in-chief : Germany’s populist superstar demands peace with Russia

In an interview Sahra Wagenknecht trashes the consensus on Ukraine—and much more

Extraits :

FEW GERMAN politicians divide opinion like Sahra Wagenknecht. A Putin-loving demagogue to her detractors, simply “Sahra” to her legions of adoring fans, Ms Wagenknecht has injected a high-octane blast of populism into a country that prefers its politics staid and consensual. Invariably decked out in her trademark high-necked jackets, Ms Wagenknecht rules the airwaves with her brainy but pointed polemics on Ukraine, immigration and other prickly subjects. Her political formula is unorthodox, yet the success of her Sahra Wagenknecht Alliance (BSW), a party she launched only in January, proves a talent for political entrepreneurship. And she has developed an uncanny knack for forcing other politicians to dance to her tune.

In an interview in her parliamentary office in Berlin, Ms Wagenknecht outlines her political philosophy and her aims. “Without a prominent face, no one knows what young parties stand for,” she says, explaining why she launched a party with her image and under her name (the BSW will eventually be renamed, she says). “It is simply a programme that corresponds to what many people want. On the one hand, social justice. On the other, a conservative politics based on cultural traditions and reduction of migration, and which addresses the question of war and peace.”

What Ms Wagenknecht calls her “left-conservative” politics blends a traditional left-wing menu—higher taxes on the rich, more generous pensions and minimum wage, scepticism towards big business—with a nationalist concern for cultural identity and a healthy dose of woke-bashing. The holder of a doctorate in microeconomics, she strongly backs Germany’s industrial model and its backbone of the Mittelstand, small and medium-sized business she credits with providing ordinary Germans with decent wages and careers. She says Germany’s government, which she has called the “stupidest in Europe”, has hobbled firms by putting sanctions on Russian gas, and she laments the “foolishness” of, for example, climate activists who wish to kill off the combustion engine, the source of so much of Germany’s past prosperity. And she is vocal about the “major problems” of irregular migration, which she says is “overwhelming Germany”.

Front and centre of her offer is Ukraine, or what she calls “peace”. Long steeped in the NATO- and America-bashing of the German hard left where she served her political apprenticeship, Ms Wagenknecht has found in the war an issue that clearly sets her aside from Germany’s pro-Ukraine mainstream. She condemns Vladimir Putin’s invasion, but says it sprang from Russia’s legitimate concerns over NATO expansion. In June, together with the hard-right Alternative for Germany (AfD), BSW MPs boycotted a Bundestag address by Volodomyr Zelensky, whose “uncompromising attitude” she blames in part for the ongoing fighting. There is a market for these views, especially in Germany’s east. (…)

Sarah Wagner, a BSW-watcher at Queen’s University Belfast, believes that Ms Wagenknecht does not want compromises over state governments to jeopardise her campaign for next year’s federal election, her real priority. “The basis of this party is opposition, and that isn’t going to work if they’re in government,” she says. One insider says the party would be delighted to retain its current polling level of around 9% at that election. That would be enough to turn the BSW into a spoiler, making the business of forming coalitions yet more complicated than it already is, but not enough to move Ms Wagenknecht’s party out of her oppositional comfort zone. Perhaps that is fine with her. ■

Germany’s populist superstar demands peace with Russia


NZZ, 16 octobre, article payant

Die Menschen in Ostdeutschland wollen wieder eine Wende. Dieses Mal soll sie aber nicht von den Wessis diktiert sein

Sie sind enttäuscht, das Versprechen des Westens von sicherem Wohlstand, von Freiheit, von parlamentarischer Demokratie hat ihnen nicht gebracht, was sie wollten. Sie sehnen sich nach der DDR, der Berechenbarkeit des Lebens, der straffen Führung von oben. Eine Fahrt durch den Osten Deutschlands.

Extraits :

Ein hässlicher Ausblick? «Man jewöhnt sich dran», sagt Thomas, der Tiefbauunternehmer. Manchmal, wenn das Abendrot auf die beiden dampfenden Meiler hinter seinem Haus fällt, werde ihm richtig warm ums Herz. Der 52-Jährige kramt sein Handy hervor und zeigt ein Foto. Stimmt schon: Die untergehende Sonne verleiht selbst dem Braunkohlekraftwerk «Schwarze Pumpe» eine gewisse Schönheit.

Thomas hat sich mit seinem Nachbarn zu einem Feierabendbier auf dem Parkplatz vor dem Haus getroffen, auf der Ladefläche seines Pick-ups steht eine Kiste Lausitzer Pils. Die beiden leben seit Kindesbeinen hier neben der Schwarzen Pumpe im südbrandenburgischen Spremberg. Er erzählt gerne von früher, von der DDR. Schmutziger sei es gewesen. Nach der Wende wurde dann ein neues Kohlekraftwerk gebaut, eingeweiht von Helmut Kohl, dem Kanzler der Einheit. Seither regnet es in Spremberg keine Asche mehr, auf den Apfelbäumen in seinem Garten wachsen Flechten und Moos. Lebt es sich heute besser? «Besser nicht», sagt Thomas. «Es ist anders.» Die Luft mag klarer sein, dafür fehle der Zusammenhalt. Früher hätten sich die Menschen mehr umeinander gekümmert, es habe weniger Egoismus gegeben. «Ham ja auch alle mehr oder weniger gleich viel verdient. Da war keiner mehr wert als der andere.» Ein wenig von der guten, alten Ordnung – das wünscht er sich jetzt zurück.

34 Jahre sind seit der Wiedervereinigung vergangen. Aber die DDR, der ehemals sozialistische Osten Deutschlands, ist in den Köpfen vieler Leute immer noch allgegenwärtig. Wer durch Brandenburg, Sachsen, Thüringen fährt, um zu verstehen, warum hier die in Teilen rechtsextreme AfD so erfolgreich ist, hört überall Anekdoten von früher. Nicht von den Foltergefängnissen, dem Schiessbefehl an der Grenze oder der Bespitzelung durch die Stasi. Sondern davon, dass das Leben berechenbarer war. Ehrlicher. Man hört von scheinbar Banalem, von Küchengeräten und Mopeds, die so gebaut wurden, dass sie möglichst lange funktionierten. Keine Wegwerfprodukte mit eingebauten Sollbruchstellen. Viele fühlen sich betrogen. (…)

Besonders im Osten Deutschlands ist die AfD mit ihren Parolen weit in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen. Sie ist zu einer bestimmenden Kraft geworden: stärkste Partei in Thüringen, wo der besonders radikale Scharfmacher Björn Höcke als Spitzenkandidat antrat. Nur knapp auf den zweiten Platz verwiesen bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen. (…)

Thomas, den Bauunternehmer, frustriert das. Die Ausgrenzung der Rechten sei undemokratisch, sagt er, sie solle ihre Chance zum Mitregieren bekommen. Kriegt sie aber nicht. «Es spielt keine Rolle, wie wir wählen. Am Ende schliessen sich die anderen Parteien zusammen.» Seine Stimme und die vieler anderer werde nicht ernst genommen. (…)

Die Sehnsucht nach den alten Verhältnissen schwingt bei vielen Rednern in Gera durch. Man trauert nicht dem Kommunismus nach, wohl aber der straffen Führung. Mehr noch als über die liberale Einwanderungspolitik, die Sanktionen gegen Russland und die teuren Klimaschutzmassnahmen schimpfen sie über die Schwäche der Regierenden. Über deren halbherzige Kompromisse – dem Wesen der parlamentarischen Demokratie geschuldet. Und ein Vorwurf kommt immer wieder: Als die DDR vor 35 Jahren am Ende war, sei man vom Westen «annektiert» worden. Nun aber liege das System der liberalen Demokratie, der «woke Wertewesten», in Trümmern. Und der Osten werde sich revanchieren. Es ist «payback time». Wendezeit, wie schon 1989. Der Osten will nicht werden wie der Westen. Er wollte es nie. (…)

Aber wurde die ehemalige DDR von der Bundesrepublik annektiert? Kein anderes Land des Ostblocks ist nach der Wende so weich gelandet. Immer noch liefert ein Teil der deutschen Steuerzahler 5,5 Prozent ihres Einkommens als «Soli» für den Aufbau der Wirtschaft im Osten ab. Grossstädte wie Dresden, Leipzig oder Jena haben sich in blühende Metropolen mit starker Industrie und Hightech-Konzernen verwandelt. Die Wirtschaftsleistung wächst in den neuen Bundesländern, während sie in den alten schrumpft. Die Transformation, also der Umbau der DDR in eine nach den Prinzipien der Marktwirtschaft ausgerichtete Demokratie, ist eine Erfolgsgeschichte. Einerseits.

Andererseits bleibt das Lohnniveau im Osten um gut ein Viertel niedriger als im Westen. Und es gab im Zuge der Wiedervereinigung tiefe Kränkungen. Darüber, dass westdeutsche Beamte, die in den Osten geschickt wurden, eine monatliche Prämie bekamen, die im halboffiziellen Sprachgebrauch «Buschzulage» hiess. Dass die einst staatlichen Unternehmen fast ausschliesslich von westdeutschen Firmen übernommen wurden, die in vielen Fällen bloss die Filetstücke herauslösten und dann den Grossteil der Belegschaft kündigten. Auch das ist Kapitalismus. Aber so hatten sich das die Menschen nicht vorgestellt, als am Abend des 9. November 1989 die Grenzen geöffnet wurden. (…)

Von DDR zu AfD: Die Sehnsucht der Ostdeutschen nach Sicherheit und Führung (nzz.ch)


Geschlechtergerechtigkeit: Arme Männer

Die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern in der Arbeitswelt ändern sich dramatisch. Die alten Narrative – Frauen sind immer Opfer – werden dagegen unverändert weitererzählt. Leider. (FAZ, 15 octobre, article payant) 

Extraits :

Frauen sind benachteiligt: Sie verdienen weniger als Männer, sind schlechter ausgebildet und tragen die Hauptlast der Kindererziehung. An dieser Ungerechtigkeit ändert sich nur wenig. So geht die gängige Erzählung. Deshalb haben die Politiker den Equal Pay Day erfunden, werden gesetzliche Quoten für Vorstände und Aufsichtsräte erzwungen und Mint-Programme eingeführt, mit denen Schülerinnen die Freude an Mathe, Physik und Informatik vermittelt werden soll, was ein höheres Einkommen verspricht.

Das ist alles nicht völlig falsch, wenn man sich statisch auf den Ist-Zustand konzentriert. Überall klaffen Lücken: Einkommens-, Betreuungs-, Gerechtigkeitslücken. Lücken, die geschlossen werden wollen. Doch die statische Betrachtung verstellt den Blick auf die Dynamik der Veränderung im Zeitverlauf. Leicht wird übersehen, dass die Frauen nicht nur aufholen, sondern bereits überholen. Eine gute Nachricht. Nur sollte man die Frage, wo die Opfer stecken, neu justieren.

Ein paar Daten: Seit Wintersemester 2021/2022 studieren erstmalig mehr Frauen als Männer an deutschen Hochschulen. In einer ganzen Reihe reicher Länder ist inzwischen der Anteil der Frauen mit einem Diplom höher als der der Männer. In den USA und Großbritannien beträgt der Unterschied jeweils mehr als zehn Prozent. Im Vereinigten Königreich sind inzwischen mehr junge Frauen in Lohn und Brot als junge Männer. Auch das Gender-Pay-Gap beginnt sich zu drehen.

Das sind Daten der OECD, die ich einem statistischen Überblick der „Financial Times“ von Mitte September entnehme. Man könnte eine Erfolgsfanfare erschallen lassen, gäbe es nicht eine Kehrseite. Das sind die jungen Männer. Sie fühlen sich im Wettbewerb mit den überholenden Frauen überfordert und nicht zu besseren Leistungen herausgefordert. Stattdessen neigen sie zu Resi­gnation. Über alle OECD-Länder hinweg wächst der Anteil junger Männer, die sich nicht in Job oder Lehre befinden. In Großbritannien, Frankreich, Spanien und Kanada befinden sich inzwischen mehr junge Männer als Frauen abseits gesellschaftlicher Teilhabe. So etwas gab es seit dem Beginn der Indus­trialisierung nicht.

Wenn junge Frauen weder in Ausbildung noch in Arbeit sind, dann weil sie sich auf Familie und Kinder fokussieren. Das ist bei jungen Männern nicht der Fall. Sie machen buchstäblich nichts, leiden zunehmend unter psychischen Krankheiten. Und neigen dazu, populistische und extremistische Parteien (seien sie rechts- oder linksextremistisch) zu wählen.

In Deutschland lässt sich das alles nur in abgeschwächter Form beobachten. Das ergibt meine Nachfrage bei Enzo Weber. (…)

Ich fasse zusammen: Die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern in der Arbeitswelt ändern sich dramatisch. Die alten Narrative – Frauen sind immer Opfer – werden dagegen unverändert weitererzählt. Dabei sind im Zeitverlauf die Frauen die wahren Gewinner wachsender Gleichberechtigung. Das ist ein Fortschritt, den Frauen und Männer feiern sollten, statt die alten Weinerlichkeiten zu pflegen.

Geschlechtergerechtigkeit: Arme Männer (faz.net)


Of firewalls and fragmentation : Germany’s party system is coming under unprecedented strain

Forming governments after the eastern state elections looks nightmarish (The Economist, 25 septembre, article payant) 

Extraits :

IT COULD HAVE been even worse. That was the only consolation for opponents of the hard-right Alternative for Germany (afd), which on September 1st secured its first-ever state-election win, in Thuringia, and in neighbouring Saxony ran the centre-right Christian Democrats (cdu) a close second. At least many anti-afd voters lent their support to the cdu to bolster opposition to the radicals. The Brandmauer (firewall) against the afd remains intact, ensuring it cannot take office. But few could avoid the conclusion expressed by Olaf Scholz, Germany’s chancellor, that the results were “bitter”. Nor the anxiety that attends the start of a lengthy period of coalition talks in the two eastern states.

It was not supposed to be like this. West Germany’s post-war institutions, extended to the east after reunification in 1990, were designed to see off the chaos of the pre-Nazi Weimar years. Strong “people’s parties” like the cdu and the Social Democrats (spd) were encouraged, to weaken fringe outfits. Parties’ role in politics was even anchored in the constitution. Other safeguards included a rule that parties had to win 5% of the vote to enter parliaments. Courts were permitted to ban parties that violated democratic principles, although none has done so since 1956.

For decades the system yielded strong parties and coherent coalitions. Two factors have eroded it. The first, familiar to many democracies with proportional voting, is a fragmentation of the party system. Seven party groups now sit in the Bundestag. (…)

Fragmentation alone did not undermine coalition politics. The addition of the Greens to parliament in the 1980s, for example, in time simply expanded the coalition options available to the spd. But then came the growth of parties that sit beyond the firewalls. In other European countries these have eroded as, usually, centre-right parties have given up resisting the success of national populists: recent examples include Sweden and the Netherlands. In Germany, by contrast, the Brandmauer holds at national and state level.

This applies chiefly to the afd, an outfit radical even by the standards of European right-wing populism. But its strength makes the mathematics of coalition formation that much harder. In Thuringia, for example, the afd now commands 32 of the 88 Landtag seats. That leaves four parties, occupying a spectrum of hard left to centre-right, to assemble a 45-seat majority from 56 seats (see chart). And the cdu’s refusal to work with the Left party, owing to its communist heritage, in effect makes the formation of a stable governing majority impossible. Tricky negotiations, and perhaps the sacrifice of sacred cows, lie ahead.

No wonder the Brandmauer risks crumbling. (…)

These problems are magnified in the east, where voters are volatile and more open to extremists or charismatic individuals. But comparable forces are at work in the west, where 85% of Germans live. Since 2021 the federal government has been an awkward three-party coalition, Germany’s first for nearly 70 years. Its early promise soon gave way to endless in-fighting. The dismal results of all three parties on September 1st do not appear to have inspired a renewed attempt to find common ground.

What to do? Mr Stecker thinks parts of Germany should consider less formal modes of governance, including minority or shifting coalitions. But the country does not appear ready for that. Depressingly, one likely outcome after next year’s election is yet another grand coalition of the cdu and the spd—precisely the sort of contraption that the afd has previously found it so profitable to oppose. ■

Germany’s party system is coming under unprecedented strain (economist.com)


Erziehungsrepublik Deutschland: Olaf Scholz und seine Regierung reden zu den Wählern, als ob sie Kinder wären

Die Deutschen laufen den etablierten Parteien davon. Das könnte auch daran liegen, dass manche Politiker wie Pädagogen auftreten. Es braucht endlich wieder Kommunikation auf Augenhöhe. (NZZ, 23 septembre, article payant) 

Extraits :

Friedrich Merz, der frisch gekürte Kanzlerkandidat der deutschen Christlichdemokraten, ruft bei linksliberalen oder grün orientierten Journalisten oft eine heftige Reaktanz hervor. Möglicherweise hat das nicht nur mit dessen politischen Positionen zu tun, die seine Gegner regelmässig als «rechts» – sprich: indiskutabel – zu denunzieren versuchen.

Vielleicht ist es auch Merz’ Habitus, der die Ablehnung des kommentierenden Justemilieu auslöst: Der CDU-Politiker tritt dezidiert als Erwachsener auf. Er ist stets korrekt gekleidet, was das Tragen einer Krawatte ein- und das Tragen von Turnschuhen zu offiziellen Anlässen ausschliesst. Und er adressiert sein Publikum wie erwachsene Staatsbürger: ohne Kumpelei, ohne Anbiederung oder Herablassung. Ausserdem frei von der Angst, komplizierte Sachverhalte in ganzen Sätzen darzustellen.

Dieses Erwachsene wirkt in der deutschen Politik mittlerweile fast wie ein Fremdkörper. Hatte der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder rhetorisch noch den zwar autoritären, aber diskursfähigen Arbeiterführer gegeben, so pädagogisierte seine christlichdemokratische Nachfolgerin Angela Merkel die Kommunikation zwischen Regierung und Bürgern radikal.

Häufig liefen ihre Äusserungen darauf hinaus, die Menschen sollten sich keine Sorgen um dieses oder jenes Problem machen; die Regierungschefin werde schon «eine gute Lösung finden». Öffentliche Diskussionen, so der Subtext, seien gar nicht nötig. Die kulturellen Eliten lernten von Merkel die pseudonaturwissenschaftliche Attitüde, es gebe auf die komplizierten und widersprüchlichen Fragen der Gegenwart ohnehin nur noch jeweils eine einzige «richtige» Antwort.

«Das ist das Paradigma der Alternativlosigkeit», sagte die Schriftstellerin und brandenburgische Verfassungsrichterin Juli Zeh in einem Interview mit dem Magazin «Cicero»: «Unsere Zeit wird als Dauerkrise oder gar als Ausnahmezustand beschrieben, und daraus folgt dann die Idee von zwingenden Handlungsdirektiven, die nicht mehr debattiert, sondern nur noch ‹kommuniziert› werden. So kommt es zum pädagogischen Ansatz in der Politik.» (…)

Dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Olaf Scholz wird zumindest hinter vorgehaltener Hand auch aus den eigenen Reihen vorgeworfen, er «erkläre» nicht ausreichend, was er gerade tue. Tatsächlich mag das insofern stimmen, als Scholz oft sinngemäss sagt, was die Regierung mache, sei gut – denn wenn es nicht gut wäre, würde sie es ja nicht machen. Da ist erklärtechnisch sicher noch Luft nach oben. (…)

Belege für die Pädagogisierung des Publikums finden sich jedoch nicht nur in der Regierungskommunikation. Beinahe jede landläufige kommerzielle Werbung hält die Kunden zu ökologischem Verhalten an oder pocht auf «Diversity»-Freundlichkeit. Die Kirchen und ihre Wohlfahrtsorganisationen bekämpfen alles, was sie für «Rassismus» halten – und natürlich «rechte Parteien», gern in Diversity-gerechter Gendersprache. (…)

Verschiedene Massnahmen, die sich die deutsche Regierung durchaus eine Menge (Steuer-)Geld kosten lässt, verstärken den Eindruck, dass die Bevölkerung zur richtigen politischen Haltung erzogen werden soll: 200 Millionen Euro im Jahr darf das grün geführte Bundesfamilienministerium mittlerweile für das Programm «Demokratie leben!» ausgeben, dessen schwach evaluierte Projekte und Initiativen sich vor allem «gegen rechts» wenden. Die Bundeszentrale für Politische Bildung bekommt für alles andere nur rund 80 Millionen Euro jährlich. (…)

Die politische Öffentlichkeit spürt die Absicht – und sie ist verstimmt. Viele Bürger reagieren mit Entfremdungsgefühlen oder mit Trotz. Das Vertrauen in Deutschlands demokratische Institutionen ist dramatisch gesunken. Laut aktuellen Zahlen vom Institut für Demoskopie Allensbach hat fast die Hälfte der Bundesbürger das Gefühl, ihre Meinung nicht frei sagen zu können, ohne dafür moralisch in die böse Ecke verbannt zu werden. 54 Prozent stimmen der Aussage zu «Die Politik möchte mir immer mehr vorschreiben, wie ich mein Leben zu führen habe».

Deutschland hat offiziell noch nie so entschlossen gegen «rechts» agitiert – und zugleich gab es noch nie so viele Wähler rechter Parteien. Irgendetwas an dieser Strategie muss falsch sein, und der Verdacht liegt nahe, dass es die Pädagogisierung der politischen Kommunikation sein könnte. Die Politik, und mit ihr die Medien, sollte also davon ablassen. Sie muss aufhören damit, ständig wie Bundeskanzler Scholz von «Respekt» nur zu sprechen, und stattdessen damit beginnen, sich von Staatsbürger zu Staatsbürger auf ein Gespräch unter Erwachsenen einzulassen.

Scholz und seine Regierung reden zu den Wählern, als ob sie Kinder wären (nzz.ch)


Schicksalwahl : The hard right takes Germany into uncharted territory

The parties in Olaf Scholz’s coalition are crushed in state polls (The Economist, 2 septembre, article payant)  

Extraits:

AS THE DUST settled after elections in Saxony and Thuringia, two states in eastern Germany one thing was clear: the hard right had notched up a first. In Thuringia the Alternative for Germany (AfD)—a party whose branches in both states have been formally designated as extremist—topped the polls in a state election for the first time since its founding just over a decade ago. In Saxony it fell just behind the centre-right Christian Democratic Union (CDU)—and only because many voters lent their votes to the conservatives to keep the AfD from top spot. Turnout in both states was high. Olaf Scholz, Germany’s chancellor, called the result “bitter” and urged other parties to keep the AfD from power. (…)

The symbolic nature of the results will resonate more than their substance. It is true that over 40% of voters in both states plumped for populist parties that sometimes sound like Kremlin mouthpieces. But German states have little power to shape the country’s foreign policy. Nor can election results in two small states whose combined population of 6.2m represents about 7% of the German total be taken as any sort of national bellwether. (…)

Yet Michael Kretschmer, the CDU premier in Saxony, was not wrong to say before the vote that his state was confronting a Schicksalwahl, or “fateful election”. The AfD has morphed from a group of grouchy Eurosceptics to a party whose more radical members, such as Mr Höcke, sometimes operate at the margins of democracy; some in Germany reckon the party should be banned. Its exploitation of grievances over inflation, immigration and Ukraine has found substantial backing not only in east Germany but across the country: the AfD has long occupied second spot in national polls, behind the CDU plus its Bavarian sister party, but ahead of all three parties of Germany’s national coalition.

The poor results for those parties will amplify tensions in the national coalition. The SPD will hope for a better performance in Brandenburg, another eastern state, which votes on September 22nd. But while the country chews over the consequences of the state elections, politicians in Saxony and Thuringia will now begin the painstaking work of negotiating coalitions—something that takes several weeks even at the best of times. (…)

Ms Wagenknecht, though, has made it clear that she will be no pushover in coalition talks. Before the elections she said that her BSW would only join parties in government that were committed to rejecting Mr Scholz’s recently agreed plan to station long-range American missiles in Germany from 2026. That may seem like a hubristic demand to make of a government that should be occupied with housing, education and policing. But it is a reflection of the uncharted territory into which German politics appears to be heading. ■

The hard right takes Germany into uncharted territory (economist.com)


Far Right Gets Historic Win in Eastern German Elections

Ballots in two states deliver the first far-right victory in Germany since the end of World War II—and a fresh embarrassment for Olaf Scholz’s government (WSJ, 2 septembre, article payant)  

Extraits:

BERLIN—The nationalist AfD scored its first electoral victory in a German state election since its creation 11 years ago, according to projections on Sunday—a political earthquake and a milestone for a continent where centrist parties are increasingly on the defensive. 

The AfD was ahead in Thuringia and a close second in Saxony while the three centrist parties forming Chancellor Olaf Scholz’s embattled government in Berlin were all but wiped out, initial surveys by public broadcaster ZDF showed shortly after the balloting ended.

With a combined population of just over six million, the two eastern states rarely make national news and the results have no practical bearing on the balance of power in Berlin. Despite its score, the AfD is unlikely to end up governing any of the states because it would need to form a coalition with a rival party and most have ruled out working with it. 

Yet the vote has high symbolic value in Germany, where no far-right group has won a state or general election since the end of World War II and where centrist parties have successfully kept the AfD out of power since its creation in 2013. (…)

Far Right Gets Historic Win in Eastern German Elections – WSJ


Mit den Wahlen in Thüringen und Sachsen bricht die Debatte über die Identität des Ostens und die Ignoranz im Westen wieder auf

Die Deutschen müssen sich jetzt eingestehen, dass man mit der Wiedervereinigung die alten bundesrepublikanischen Verhältnisse verliess. (NZZ, 2 septembre, opinion, article payant)  

Extraits:

(…) Der Osten Deutschlands? Im Normalfall interessiere dieser so sehr «wie die Rückseite des Mondes», aber bei Wahlen beobachte man jedes Mal «das grosse Zittern», als würden «mongolische Heerscharen vor den Toren Europas stehen», stellte Dirk Oschmann in seinem Buch («Der Osten. Eine westdeutsche Erfindung», 2023) fest. So tobt auch um die Landtagswahlen 2024 in Thüringen und Sachsen sowie Brandenburg (22.9.) der Deutungskampf.

«Phu, der Osten!», seufzte die «FAS» vergangenen Sonntag und benannte – eher selten in der ewig schwierigen deutsch-deutschen Debatte – dann doch den tieferen Grund für die Hinwendung der Ostdeutschen zu populistischen Parteien wie der AfD und nun dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), die sich gegen das bestehende System richten und sich Putins autokratischem Russland zuwenden wollen: «Er liegt in der DDR.»

Was in Fachkreisen nie angezweifelt wurde, was Autoren wie Ilko-Sascha Kowalczuk («Die Übernahme»), Dirk Oschmann, Ines Geipel («Fabelland»), Steffen Mau («Ungleich vereint») oder Juliane Stückrad («Die Unmutigen, die Mutigen») seit Jahren thematisieren – die ambivalente Identitätssuche, die Kränkungen, die Wut, die Fremdenfeindlichkeit, die historische Kontinuität zweier Diktaturen im Osten und die mangelnde Aufarbeitung –, das alles interessierte die etablierte Politik kaum.

Nun bekommen allen voran die Grünen und die SPD von den Wählern die Quittung dafür, dass sie das Phänomen Ostdeutschland ignorieren und sich lieber mit Regenbogen- und Genderpolitik beschäftigen, Fragestellungen, die einem Malermeister in der Oberlausitz wurscht sind. Die AfD hat Themen wie Migration, innere Sicherheit, Arbeitslosigkeit, Corona-Politik auf ihre Art besetzt und die Ostdeutschen geschickt abgeholt: Umfragen prognostizieren der Rechtsaussenpartei 30 Prozent der Stimmen. Die Ursache liegt in einer Mischung aus postsozialistischer Entwicklung und reaktiver gesamtdeutscher Abwehrhaltung.

Es war eine Fehlannahme, dass man die rückwärtsgewandte, national gestimmte und nun zunehmend überalterte ostdeutsche Gesellschaft in ihrem Rückzug und ihrer Verklärung der DDR einfach in Ruhe lassen könnte. Warten, bis es vorbeigeht: Diese Ignoranz dürfte nun nicht in die Wahlurne einzahlen. (…)

Mittlerweile feiern auf sozialen Plattformen viele wieder eine DDR, die es so nie gab. Auf dieses hochpolierte nostalgische Moped springt nun locker auch ein Björn Höcke auf. Der thüringische AfD-Spitzenkandidat, Landes- und Fraktionsvorsitzende knattert auf Wahlplakaten mit einem hochpolierten Simson-Motorrad durch die Landschaft unter dem Motto «Wir lassen uns von den Grünen den Spass nicht verbieten». Währenddessen warnt im tiefen Westen Hamburgs die dortige Grünen-Justizsenatorin vor dem Einzug des «Faschismus».

Es ist nicht so schwer, sich vorzustellen, was einen mehr anzieht, wenn man das Gefühl hat, auf der dunklen Seite des Mondes zu sitzen.

Identität Ost und Ignoranz West: Haben die Deutschen nichts dazugelernt?


Bundesverfassungsgericht: Politiker in Roben

Im Urteil zum Wahlgesetz hat Karlsruhe Augenmaß gezeigt. Doch insgesamt mischt sich das Gericht zu oft in Angelegenheiten ein, die politischer Natur sind. (FAZ, 5 août, opinion, article payant) 

Extraits:

Auf öffentliche Zustimmung kann sich das Bundesverfassungsgericht meistens dann verlassen, wenn es die Grundpfeiler der Demokratie schützt. Die von der Regierungskoalition durchgepeitschte Wahlrechtsreform war allzu offenkundig darauf gerichtet, sich einen Vorteil zu verschaffen und der CSU – also der Union – zu schaden. Das Gericht hat diesen Verstoß gegen die Wahlgerechtigkeit ausgehebelt, ohne die berechtigte Stoßrichtung der Reform – die Verkleinerung des Bundestags – zu gefährden. So sieht verfassungsrichterliches Augenmaß aus.

Perfekt ist das veränderte Prozedere damit nicht. Dass den Siegern eines Wahlkreises weiterhin die Garantie vorenthalten wird, diesen auch im Bundestag zu vertreten, ist mehr als ein Schönheitsfehler. Hier untergräbt die Entpersonalisierung des deutschen Wahlrechts den demokratischen Repräsentationsgedanken.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass kein Wahlsystem der Welt hundertprozentige Gerechtigkeit schafft. In Großbritannien hat die Labour Party gerade mit einem nur geringfügig höheren Wähleranteil als vor drei Jahren ihre Fraktionsstärke im Unterhaus verdoppelt. Ernsthaft gefährdet ist die Westminster-Demokratie ob solcher Verzerrungen nicht. Entscheidend ist und bleibt der Eindruck der Wähler, dass ihre Stimme einen Unterschied macht, dass ein Regierungswechsel möglich ist und es im Großen und Ganzen mit rechten Dingen zugeht.

Die überwiegend positiven Reaktionen auf das Karlsruher Urteil zeigen, wie weit der Respekt vor dem höchsten deutschen Gericht reicht. Das lässt sich nicht mehr über alle staatlichen Institutionen behaupten. Das beinahe einhellige Lob erinnert aber auch daran, dass die Entscheidungen der Verfassungsrichter nicht immer so unumstritten waren, vor allem dann nicht, wenn es zu Angelegenheiten angerufen wurde, die eher oder sogar rein politischer Natur sind. Für Urteile, die das staatlich zu garantierende Existenzminimum für Bürger definieren oder der Regierung Nachhilfe beim Klimaschutz erteilen, gilt, was der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert einmal gesagt hat: Je mehr das Gericht als politischer Akteur wahrgenommen wird, desto stärker leidet seine Autorität. (…)

Das Bundesverfassungsgericht mischt sich oft in die Politik ein (faz.net)


Bundestagswahlrecht: Nur eine kurze Atempause im Streit über das Wahlrecht

Mit seinem Urteil über die Wahlrechtsreform der Ampel hat das Verfassungsgericht Geschichte geschrieben: Die Abschaffung der Überhang- und Ausgleichsmandate ist verfassungskonform, andere Teile sind nichtig. Gut so. (FAZ, 30 juillet, opinion, article payant) 

Extrait:

(…) Was war geschehen? Mit ihrer Novelle des Bundestagswahlgesetzes vom März 2023 hatten die Ampelparteien einerseits versucht, den gordischen Knoten zu durchschlagen, der zuletzt zu einer Vergrößerung des Bundestags um fast mehr als ein Viertel der Mindestsitzzahl von 598 Abgeordneten geführt hatte. So weit, so gut, wie das Bundesverfassungsgericht jetzt befand. Die sogenannte Zweitstimmendeckung der Mandate, die eine Partei direkt in Wahlkreisen gewonnen hat, ist – anders als von der CSU bis zuletzt vorgebracht – prinzipiell verfassungsgemäß. Es ist also künftig möglich, dass ein Wahlkreisgewinner nicht in den Bundestag zieht, weil die Partei, die ihn aufgestellt hat, ansonsten mehr Abgeordnete hätte, als dem Anteil ihrer Zweitstimmen entspräche.

En passant hatten die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP indes die Wahlgesetznovelle im März vergangenen Jahres aber auch dazu genutzt, das Wahlrecht zum gezielten Nachteil von genau zwei Oppositionsparteien zu ändern: Durch den Wegfall der sogenannten Grundmandatsklausel sollte es künftig allen Parteien verwehrt sein, auch dann in den Bundestag einzuziehen, wenn sie an der bundesweiten Sperrklausel von fünf Prozent gescheitert waren, aber mindestens drei Wahlkreise durch Direktkandidaten gewonnen hatten.

Karlsruhe hatte zwar über diese Instrumentalisierung des Wahlrechts für parteipolitische Zwecke als solche nicht zu befinden. Dem Gericht musste es ausreichen, dass die Abschaffung der Grundmandatsklausel bei gleichzeitiger Beibehaltung der Fünfprozenthürde zu einer Verfälschung des Wählerwillens geführt hätte, die dem Wahlakt als der Quelle demokratischer Legitimation einen Tort angetan hätte.  (…)

Was wäre stattdessen zu tun? Am einfachsten zu verwirklichen wäre eine Übung, die eine lagerübergreifende Koalition in der vergangenen Woche am Beispiel des Bundesverfassungsgerichts exerziert hat. Wie die Regelungen, die die Zusammensetzung und die Funktionsweise das oberste deutsche Gericht dem Zugriff einer einfachen Parlamentsmehrheit entziehen sollen, könnte man bestimmte Elemente des Wahlrechts unmittelbar in die Verfassung schreiben, mindestens aber für jede Änderung des Wahlgesetzes ein höheres Quorum als eine einfache Mehrheit festschreiben, etwa eine Dreifünftel- oder eine Zweidrittelmehrheit. (…)

Verfassungsgericht: Atempause im Streit über das Wahlrecht (faz.net)